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Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Fingerspitzen quoll. Nach einem Dutzend Hieben dachte ich, ich würde gleich sterben; aber er machte weiter, bis er die zwanzig voll hatte.
    Jetzt kam der Pflanzer näher und starrte mich an.
    »Na, Niggerbengel«, sagte er, »was hast du zu sagen?«
    Und ich hing da an diesem Pfosten, ein Mann von über fünfzig, zum ersten Mal in seinem Leben ausgepeitscht. Und meiner Würde restlos beraubt.
    »Tut mir leid, Boss«, schrie ich. »Ich werde alles tun, was Sie sagen!«
    »Nenn mich nicht Boss«, sagte er. »Ich bin kein gottverdammter Holländer.«
    »Nein, Sir«, flüsterte ich. Und selbst wenn noch ein Rest von Wut in mir gewesen sein sollte, war diese Auspeitschung so grauenvoll gewesen, dass ich, hätte er es mir befohlen, den Staub vom Boden aufgeleckt hätte. Und als ich ihm in die Augen sah, war ich vollkommen verzweifelt.
    »Sprich nicht zu mir«, sagte er, »außer ich fordere dich dazu auf. Und wenn du zu mir sprichst, du diebischer Niggersohn einer Niggerhure, dann schaust du auf den Boden. Wag es nie wieder, mir ins Gesicht zu sehen. Wirst du dir das merken können?« Und als ich zu Boden schaute, rief er dem Aufseher zu: »Hilf ihm, sich das zu merken.«
    Und dann verabreichte mir der Aufseher zehn weitere Peitschenhiebe. Am Ende verlor ich, glaube ich, die Besinnung, denn ich habe keine Erinnerung daran, wie man mich losmachte und in den Schuppen warf.
    *
    Ich arbeitete ein halbes Jahr lang auf dieser Farm. Die Arbeit war hart. Als es Winter wurde und der Schnee fiel, steckte uns der Pflanzer in seine Schmiede, und wir Sklaven bekamen beigebracht, wie man Nägel machte, und das taten wir dann zehn Stunden am Tag; und diese Nägel wurden verkauft. Wir bekamen immer irgendeine Art von Arbeit, durch die er Geld verdiente. Er gab uns genug zu essen und warme Kleidung, und so konnten wir arbeiten. Und selbst wenn wir es vorgehabt hätten, wären wir am Ende des Tages zu müde gewesen, um auch nur das kleinste bisschen Ärger zu machen. Er ließ mich nicht wieder auspeitschen; aber ich wusste, wenn ich ihm auch nur den geringsten Grund dazu gegeben hätte, dann hätte er es getan und Schlimmeres vielleicht.
    Und das alles machte mir bewusst, wie gut es mir in all den Jahren, als ich dem Baas gehört hatte, ergangen war – während Jahr für Jahr Männer wie Mr Master vielleicht Tausende von Negern auf die Plantagen verkauften, wo bestimmt ähnliche, wenn nicht noch schlimmere Lebensbedingungen herrschten. Und es erfüllte mich mit Traurigkeit, daran zu denken, dass dies das einsame Leben war, das meine Eltern, von ihren Kindern getrennt, geführt haben mussten.
    Im Frühjahr wurden wir wieder auf die Felder geschickt, wo wir graben und pflügen mussten. Und eines Tages arbeitete ich gerade wieder, von Kopf bis Fuß mit Schlamm verdreckt, als ich gegen Mittag einen leichten, gedeckten Wagen die Zufahrt heraufrollen und einen Mann und eine Frau aussteigen und ins Haus gehen sah. Einige Zeit später kam der Pflanzer heraus und brüllte mir zu, ich solle kommen, also rannte ich zu ihm hin. Und als ich vor ihm stand und die Augen wohlweislich zu Boden gerichtet hielt, hörte ich das Rascheln eines Kleides auf der Veranda; doch ich wagte es nicht aufzuschauen, wer es war, und dann hörte ich eine vertraute Stimme: »Was denn, Quash, kennst du mich nicht mehr?« Und da wusste ich, dass es Juffrouw Clara war.
    *
    »Du hast dich verändert, Quash«, sagte Juffrouw Clara, während sie und Mr Master mit mir nach New York zurückfuhren. »Hat er dich schlecht behandelt?«
    Ich schämte mich noch immer zu sehr darüber, ausgepeitscht worden zu sein, um es ihr erzählen zu können, also log ich nur: »Mir geht’s gut, Juffrouw Clara.«
    »Es war nicht leicht herauszufinden, wo du warst«, erklärte sie mir. »Meine Mutter weigerte sich, uns zu sagen, an wen sie dich verkauft hatte. Ich habe Leute ausgeschickt, die sich in der ganzen Stadt erkundigen sollten. Erst vor ein paar Tagen haben wir dich gefunden.«
    Ich fragte, ob sie etwas über Hudson wüssten.
    »Er wurde an einen Schiffskapitän verkauft, aber das ist alles, was wir wissen. Er könnte überall sein. Es tut mir leid, Quash«, sagte sie. »Es ist möglich, dass du ihn nie wiedersiehst.«
    Einen Moment lang brachte ich kein Wort heraus.
    »Es war gütig von Ihnen, mich da wegzuholen«, sagte ich schließlich.
    »Du hast mich eine Stange Geld gekostet«, sagte der junge Henry Master lachend. »Der alte Pflanzer wusste, dass wir dich unbedingt haben wollten,

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