Im Rausch der Freiheit
ruhig: »Nein, es ist niemals richtig.« Ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie ihre Meinung in dem Punkt niemals ändern würde.
Einmal hörte ich sie ihrem Mann gegenüber sogar sagen, sie wäre bestimmt nicht traurig, wenn das ganze Geschäft mit den Sklaven ein Ende fände. Doch er antwortete, so wie er die Sache sehe, hänge der Reichtum des britischen Weltreichs zu einem guten Teil von den Sklaven auf den Zuckerrohrplantagen ab. Darum glaube er nicht, dass die Sklaverei in absehbarer Zeit abgeschafft würde.
*
Ich blieb das ganze Jahr bei Juffrouw Clara und ihrem Mann. Während dieser Zeit brach in der Stadt das Gelbfieber aus, aber glücklicherweise verschonte es unser Haus. Und ich blieb auch den größten Teil des folgenden Jahres bei ihnen.
In England waren inzwischen sowohl Königin Maria II. als auch ihr Mann, der niederländische König Wilhelm III., gestorben, und da sie kinderlos geblieben waren, stieg Marias Schwester Anne 1702 auf den Thron. Die Regierung schätzte die Bedeutung Amerikas zu der Zeit so hoch ein, dass sie einen wichtigen Gentleman entsandte, der sogar ein Cousin der Königin war und Lord Cornbury hieß. Und so ließ sich dieser in New York nieder.
Nichts von alledem hätte mich irgendwie betroffen, wenn die Herrin nicht gewesen wäre. Keiner wusste, warum – Jan vermutete, dass sie sich mit jemandem gestritten hatte –, aber im Oktober kam ein Brief von ihr, in dem es hieß, dass sie möglicherweise nach New York zurückkehren würde. Juffrouw Clara bat ihren Bruder zu sich nach Hause, damit sie entscheiden konnten, was zu tun sei. Ich war bei ihnen in der Stube. »Wenn sie kommt, Quash«, sagte Jan zu mir, »solltest du besser nicht hier sein.«
»Wir kümmern uns schon um dich, Quash«, sagte Juffrouw Clara.
»Natürlich werden wir das«, sagte Jan. »Und ich glaube, ich weiß auch schon die Lösung. Ein Haus, in dem seine Pflichten leicht wären und gut für ihn gesorgt würde.« Er nickte und lächelte mir zu. »Ich habe gerade mit dem Gouverneur gesprochen.«
»Mit Lord Cornbury?«, sagte Juffrouw Clara.
»Keinem Geringeren. Wie es aussieht, ist Seine Lordschaft auf der Suche nach einem Kammerdiener. Ich habe ihm von Quash erzählt, und er zeigte sich sehr interessiert.« Jan wandte sich zu mir. »Wenn du für ihn arbeitest, Quash, wirst du gut behandelt werden. Und nicht nur das. Gouverneure bleiben nur ein paar Jahre. Wenn Seine Lordschaft mit dir zufrieden ist, woran ich nicht zweifle, wird er dir am Ende seines Aufenthalts die Freiheit schenken.«
»Aber was, wenn Lord Cornbury seine Meinung ändert und beschließt, Quash zu verkaufen?«, wandte Juffrouw Clara ein.
»Daran habe ich auch schon gedacht. Ich habe Lord Cornburys Wort, dass er, sollte er nicht zufrieden sein, uns Quash für den Preis, den er selbst bezahlt hat, zurückverkauft.«
»Und du bist sicher, dass Quash es da gut haben wird?«, fragte Juffrouw Clara.
»Gut?« Mr Master lachte. »Er wird ein luxuriöseres Leben fuhren als wir!«
»Quash«, sagte Juffrouw Clara, »wenn du dort nicht glücklich bist, kommst du schnurstracks zu mir zurück.«
»Nun«, sagte Jan, »Lord Cornbury hat Quash noch nicht gesehen. Aber wenn alles gut geht, Quash, dann bist du mir was schuldig. Wenn er zufrieden ist, wird mir das mit Sicherheit die Gunst des Gouverneurs einbringen.«
»Ich werde mein Bestes tun«, sagte ich.
Und so kam es, dass ich innerhalb von lediglich anderthalb Jahren vom Schuppen des grausamen Pflanzers in den Haushalt des Herrn Gouverneurs überwechselte.
*
Seine Lordschaft entstammte der alten Familie Hyde und war der Sohn und Erbe des Earl of Clarendon, eines Onkels der Königin. Damit gehörte er zur königlichen Familie. Aber er hatte nichts Hochmütiges an sich. Er war stets huldvoll, selbst gegenüber einem Sklaven wie mir. Edward Hyde war ziemlich groß, gut gebaut und hatte dunkles Haar und große braune Augen. Seine Wangen hätten schnell einen bläulichen Schimmer angenommen, wenn er nicht täglich sorgfältig rasiert worden wäre – und eine meiner Pflichten bestand darin, das zu übernehmen. Ich hatte noch nie im Haus eines Aristokraten gelebt, und so beobachtete ich ihn oft – sowohl um herauszufinden, wie ich ihm gefällig sein könnte, als auch aus Neugier, was er als Nächstes tun würde.
Ich begriff schon bald, warum Jan begierig war, Lord Cornburys Gunst zu erringen. »Ich bin ein Tory«, pflegte Seine Lordschaft mit einem Lächeln zu sagen. »Ich bin der
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