Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Rausch der Freiheit

Im Rausch der Freiheit

Titel: Im Rausch der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
schüchtern.«
    »Pah«, sagte ihr Vater.
    »Er war mir nicht unsympathisch«, sagte sie. »Ja …«
    »Es besteht kein Grund«, sagte ihr Vater mit Entschiedenheit, »warum wir uns mit diesen Leuten jemals wieder treffen sollten.«
    Und da Boston weit weg war und ihr Vater der Herr ihres Schicksals, wusste Kate, dass sie ihren Cousin John nie, in ihrem ganzen Leben nicht, wiedersehen würde.
    *
    Während die Kanonenschüsse über der Bucht von New York widerhallten und der alte Andrew Hamilton sich verabschiedete, konnten die Bürger der Stadt nicht nur ihren Triumph über einen bestechlichen Gouverneur, sondern einen noch grundlegenderen Sieg auskosten. Eliot Master hatte mit seiner Einschätzung recht gehabt. Der Zenger-Prozess bewirkte zwar keine Änderung des Gesetzes über Ehrverletzung, doch er ließ jeden künftigen Gouverneur wissen, dass die Bürger von New York und jeder anderen Stadt in den amerikanischen Kolonien fortan das, was sie, auch ohne Philosophen zu sein, als ihr Naturrecht ansahen, wahrnehmen würden – nämlich das Recht, zu sagen und zu schreiben, was ihnen passte. Der Prozess um den aus der Pfalz stammenden Drucker, der es gewagt hatte, eine gouverneurkritische Zeitung zu verbreiten, geriet nie ganz in Vergessenheit und wurde zu einem Meilenstein in der Geschichte Amerikas.
    Auf einen weiteren Aspekt des Prozesses allerdings achtete zunächst kaum jemand.
    Die Rechte, an die Eliot Master glaubte, die Rechte, die von Andrew Hamilton eingefordert und von der Jury wahrgenommen worden waren, leiteten sich aus dem englischen Common Law her. Engländer waren es gewesen, die als Einzige in Europa ihren König wegen Tyrannei hinrichteten. Englands großer Dichter John Milton war es gewesen, der die Freiheit der Presse gefordert, und ein englischer Philosoph, Locke, der die Existenz allen Menschen gemeinsamer Naturrechte postuliert hatte. Die Männer, die die Geschütze abfeuerten, wussten, dass sie Briten waren, und sie waren stolz darauf.
    Doch in seiner Ansprache an die Geschworenen hatte der alte Hamilton einen weiteren Gedanken gestreift, der ihnen eingeleuchtet hatte. Ein altes Gesetz, so hatte er ihnen gesagt, mag durchaus vor langer Zeit, in England, ein gutes Gesetz gewesen sein; doch es könnte auch, Jahrhunderte später, in Amerika, ein schlechtes Gesetz sein. Und obwohl niemand diese Idee ausdrücklich kommentierte, war der Keim gesät worden. Und er würde Wurzeln schlagen und sich mehr und mehr ausbreiten, im ganzen riesigen Land Amerika.

DAS MÄDCHEN AUS PHILADELPHIA
1741
    Der Junge bewegte sich vorsichtig. Ein Abend im Mai. Späte Schatten fielen, und nirgendwo war es sicher. In keiner Straße, keinem Haus. Wenn er bei seiner Ankunft nur gewusst hätte, was los war, hätte er vielleicht anders gehandelt. Aber er hatte es erst vor einer Stunde erfahren, als ein Sklave in der Schenke erklärt hatte: »Für einen Nigger ist es nirgendwo sicher in New York. Nicht zurzeit. Pass du bloß auf.«
    Er war fünfzehn Jahre alt, und wie es aussah, würde dies das schlimmste Jahr seines Lebens werden.
    Schlimm war es schon vor fünf Jahren gewesen. Damals war sein Vater gestorben, und seine Mutter hatte was mit einem anderen Mann angefangen und war zusammen mit seinen Brüdern und Schwestern fortgegangen. Er wusste nicht einmal genau, wo sie sich aufhielten. Er selbst war bei seinem Großvater in New York geblieben, wo der alte Mann eine hauptsächlich von Seeleuten frequentierte Schenke führte. Er und sein Großvater hatten sich gut verstanden. Beide liebten sie den Hafen und die Schiffe und alles, was mit der See zu tun hatte. Vielleicht hatte das Schicksal seine Hand im Spiel gehabt, als seine Eltern ihn so wie den alten Mann genannt hatten: Hudson.
    Aber dieses Jahr war das Schicksal geradezu grausam gewesen. Der Winter war der kälteste seit Menschengedenken gewesen und die Bucht völlig zugefroren. Am letzten Tag des Januars kam ein junger Bursche in die Schenke, der wegen einer Wette von einem siebzig Meilen nördlich gelegenen Dorf aus auf Schlittschuhen den zugefrorenen Fluss hinuntergelaufen war. Jeder in der Schenke spendierte ihm ein Glas. Das war ein fröhlicher Tag gewesen; aber es war bei diesem einzigen geblieben. Danach war es sogar noch kälter geworden. Lebensmittel waren knapp geworden. Und sein Großvater war erkrankt.. Dann war sein Großvater gestorben und hatte ihn ganz allein auf der Welt zurückgelassen. Es hatte keine große Trauerfeier gegeben. In diesem Winter

Weitere Kostenlose Bücher