Im Rausch der Freiheit
schien, und so hart wie nie zuvor für das Familienunternehmen gearbeitet.
Sein Vater Dirk war erstaunt, aber hocherfreut gewesen. Durch den Wampum-Gürtel hatte er seinem Sohn zu verstehen gegeben, dass er an ihn glaubte. John war von seinem Weg nicht abgewichen, erzielte zunehmend immer größere Erfolge und galt jetzt allgemein als ein äußerst fähiger Kaufmann. Aber er kannte seine Schwächen. Er wusste, dass er zu geistiger Trägheit neigte; und er musste darauf achten, nicht zu viel zu trinken. Da er sich hinsichtlich seiner eigenen Fehler keinen Illusionen hingab, war er zudem imstande, über diejenigen anderer Leute freundlich hinwegzusehen. Als er sich der Mitte seiner Zwanziger näherte, hatte John Master bereits eine weitherzige und ausgewogene Anschauung von der menschlichen Natur.
Es war sogar davon die Rede, dass er für ein politisches Amt kandidieren könnte. Doch sonderlich erpicht darauf war er nicht. Denn die Entwicklungen der letzten paar Jahre in der Stadt hatten ihn einiges über Politik gelehrt.
Ein Dreivierteljahr nach dem Zenger-Prozess war der bestechliche Gouverneur William Cosby an Tuberkulose gestorben, und in New York hatte sich ein Streben nach Reformen bemerkbar gemacht. Neue Männer waren in die Stadtverwaltung gekommen – kleinere Kaufleute, Handwerker, Männer aus dem Volk. Man hätte glauben können, das korrupte Regiment der Vergangenheit sei endgültig überwunden. Aber weit gefehlt. In kürzester Zeit waren die meisten dieser neuen Männer – durch hohe Ämter, hohe Gehälter und die Möglichkeit, sich zusätzlich zu bereichern – selbst korrumpiert worden. Offenbar traf der Ausspruch des betagten britischen Premierministers Robert Walpole in New York ebenso sehr wie in London zu: »Jeder Mann hat seinen Preis.«
»Ich verdiene mein Geld lieber weiterhin als ehrlicher Gauner«, sagte John heiter zu seinem Vater.
Als er an dem Abend, einen Spazierstock mit Silberknauf in der Hand, mit großen Schritten die Straße entlangging, sah er wie der Inbegriff des achtbaren Bürgers aus. Nach Einbruch der Dunkelheit konnte es auf den Straßen gefährlich werden, aber er machte sich keine Sorgen. Nicht viele Beutelschneider hätten Lust verspürt, sich mit ihm anzulegen.
Was diese Negerverschwörung anbelangte, glaubte er kein Wort davon. Er kannte jeden Schankwirt in der Stadt, und der Hauptbeschuldigte, Cuffee, war in der Tat ein übler Bursche. Durchaus möglich, dass er tatsächlich ein paar Feuer gelegt hatte, und vielleicht existierte auch eine Bande von unzufriedenen Sklaven und anderen zwielichtigen Figuren, die für ihn arbeiteten. Aber darüber hinaus glaubte John Master nichts. Die Prostituierte hätte einem für Geld alles erzählt. Und die Aussagen der Sklaven, die angefangen hatten, Namen zu nennen, sobald ein Feuer unter ihren Füßen brannte, waren keinen Pfifferling wert. Unter der Folter erzählten Menschen alles, was man hören wollte. Er hatte gesehen, wie der Kriminalrichter sich die hinausgeschrienen Namen eifrig notierte, und nichts als Abscheu empfunden. Die gerade mal fünfzig Jahre zurückliegenden Hexenprozesse von Salem, oben in Massachusetts, mussten doch jedem noch ein Begriff sein. Genau dazu führten seiner Ansicht nach solche Geschichten – zu absurden Anschuldigungen, Hinrichtungen und tragischem Blutvergießen. Er hoffte nur, dass der Spuk bald vorbei sein würde.
Gott sei Dank gab es an dem Abend Erfreulicheres, an das er denken konnte.
*
Als er seinem Vater eröffnet hatte, dass er Mercy Brewster heiraten wollte, war Dirk Master erstaunt gewesen.
»Das Quäkermädchen? Bist du dir sicher? Aber um Himmels willen, warum?«
Seine Mutter hatte sehr zweifelnd dreingeschaut.
»Johnny, ich glaube nicht, dass ihr euch gegenseitig glücklich machen werdet.«
Aber John Master wusste, was er wollte, und seine Eltern hatten unrecht. Absolut unrecht.
»Sie ist eigentlich gar keine Quäkerin«, erklärte er ihnen. Er hatte es nur angenommen, als er ihr zum ersten Mal begegnete. Schließlich war ihre Familie erst kürzlich aus Philadelphia nach New York gekommen, und Mercy redete nach Quäkerbrauch jeden mit thou, »du«, an. Aber inzwischen wusste er, dass ihr Vater zwar ursprünglich Quäker gewesen war, dass man ihn aber wegen seiner Heirat mit einer Anglikanerin von den Versammlungen ausgeschlossen hatte. Jetzt gehörte er überhaupt keiner Gemeinde an. Doch auch wenn er duldete, dass seine Frau mit ihren Kinder den anglikanischen Gottesdienst
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