Im Reich der Löwin
Mühelosigkeit«, hatte dieser mit glänzenden Augen geschwärmt und Henrys Hand ergriffen, um sie anbetend an die Lippen zu führen. Und zu Rolands heimlichem Entsetzen hatte sein Bruder diese Geste erwidert, bevor er den braunen Schopf des Grafen an seine Brust gezogen hatte. Kopfschüttelnd wandte er sich von dem schmalen Fenster ab und beschloss, die enge Treppe zum dritten Stockwerk zu erklimmen, um seine Suche dort fortzusetzen. Was war nur los mit ihm?, fragte er sich verbittert. Offensichtlich schienen sich alle anderen Plantagenets mit der Liebe eines Mannes zufriedenzugeben!
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Während Roland weiter das Gemäuer durchstreifte, wischte Robin of Loxley, der zusammen mit Mercadier, Harold of Leicester und Otto von Braunschweig einen der bretonischen Adeligen befragt hatte, die Klinge seines Dolches am Waffenrock des Gefangenen ab. Dessen linker Ringfinger lag in einer Blutlache auf dem aus Stein gehauenen Boden. Er schob die Waffe zurück in die einfache Scheide. »Ich denke, er sagt die Wahrheit«, stellte er mit einem Seitenblick auf Mercadier fest. Dieser schien seine Meinung keineswegs zu teilen. Wie immer brannte in den schwarzen Augen des breitschultrigen Normannen das Feuer der Leidenschaft, das ihn offensichtlich nur entfachte, wenn es darum ging, zu töten oder zu verstümmeln. »Ihr könnt ihn gerne noch weiter befragen, Mercadier«, setzte Robin mit nur mühsam unterdrückter Verachtung hinzu. »Aber ich bezweifle, dass Ihr mehr erreicht.« Damit wandte er dem Normannen den Rücken und folgte Harold of Leicester die ausgetretenen Stufen hinauf in das erste Untergeschoss des Kerkers, durch das ein wahrer Chor aus kehligen, schrillen und heiseren Schreien hallte. »Er sollte dem Foltern Einhalt gebieten«, brummte Harold. Er wandte sich mit angewidertem Gesichtsausdruck nach links, um so schnell als möglich in die kühle, frische Frühlingsluft zu gelangen. »Es hat doch keinen Sinn!« Kopfschüttelnd stürmte er dem Freund voran auf das Hauptgebäude zu, um Richard Löwenherz ausfindig zu machen, der die Suche nach dem Prinzen immer noch nicht aufgegeben hatte. Als sie den Eingang erreicht hatten, legte Robin ihm von hinten beschwichtigend die Hand auf die Schulter und zwang ihn mit leisem Druck, sich zu ihm umzuwenden. »Ich weiß, was dir Kummer bereitet«, bemerkte er trocken und suchte den Blick der blauen Augen, die in letzter Zeit immer öfter trüb und glanzlos wirkten. Hinter der Entschlossenheit, den Neffen des Königs ausfindig zu machen, brannte die Sorge um die bevorstehende, seinen Bruder betreffende Entscheidung ein Loch in die Seele des für gewöhnlich so kurz entschlossenen Earls. »Was wirst du mit Guillaume machen?«, hakte Robin of Loxley ungewohnt ernst nach. Mit einer hilflosen Geste hob Harold nach einem kurzen Augenblick des verbitterten Schweigens die Schultern und stieß die angehaltene Luft aus den Lungen. »Ich weiß es nicht«, gestand er bedrückt. Da sie zusammen aufgewachsen waren, wusste Robin, wie viele Ränke Guillaume of Huntingdon seit frühester Kindheit gegen seinen älteren Halbbruder geschmiedet hatte. Weshalb er dessen offensichtliche Furcht vor der Aufgabe, die ihn erwartete – sobald der des Hochverrats für schuldig Befundene ihm ausgeliefert wurde – nicht nachvollziehen konnte. »Er verdient keine Milde«, beschied er hart, als Harold sich verzweifelt mit der Hand durchs Haar fuhr. Einen Moment lang war das Geräusch der auf- und zuschlagenden Türen im Inneren des Wohnturms das Einzige, das die Stille unterbrach. »Der König erwartet eine harte Bestrafung«, seufzte der junge Earl of Leicester schließlich und senkte bedrückt den Blick, um auf die Spitzen seiner gepanzerten Stiefel hinabzustarren. »Aber ich werde dafür sorgen, dass es ein schneller Tod wird«, murmelte er. »Das bin ich meinem Gewissen schuldig.« Achselzuckend ergriff Robin den Unterarm des anderen, drückte diesen in einer Geste männlicher Solidarität und klopfte dem Freund aufmunternd auf den Rücken. »Lass uns erst einmal diesen Burschen Arthur ausfindig machen!«
Paris, März 1196
»Du brauchst dich nicht zu fürchten.« Die helle Stimme des französischen Königs glich in ihrer Weichheit der samtigen Pfote eines Kätzchens. »Hier bist du sicher.« Mit einer väterlichen Geste legte er dem dunkelhaarigen Knaben, dessen rot verweinte Augen furchtsam jeder seiner Bewegungen folgten, den Arm um die schmalen Schultern und übergab ihn dem Abt von
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