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Im Reich der Löwin

Im Reich der Löwin

Titel: Im Reich der Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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grub – kaum hatte sie ihn auf den Arm gehoben – die kleinen Hände in ihre Locken, um kräftig daran zu ziehen. Als sich die Tür hinter der Frau geschlossen hatte, kehrte Ralph de Beaufort in das Schlafgemach zurück, um den Knaben mit einem männlich rauen Gruß zu bedenken. »Bist du bereit, mein kleiner Ritter?«, fragte er und nahm der Königin das Kind ab. Als Gerard, der nicht wusste, was die Frage zu bedeuten hatte, mit einem unsicheren Lächeln auf den Schwertgurt seines Vaters zeigte, verkniffen sich seine beiden Eltern nur mit Mühe ein Lachen. Behutsam strich Berengaria ihm über den Kopf und ließ den Blick, in den sich tiefe Trauer geschlichen hatte, von Vater zu Sohn und zurückwandern. »Gib auf ihn acht«, ermahnte sie Ralph mit belegter Stimme, bevor sie sich ein letztes Mal vorbeugte, um den Knaben auf die Stirn zu küssen. »Sei tapfer, mein Sohn«, flüsterte sie und wandte sich mit einem erstickten Laut ab, als Ralph Anstalten machte, das Gemach zu verlassen. »Es ist ja nicht für immer«, versuchte dieser sie zu trösten. Doch Berengaria hatte bereits die Hände vors Gesicht geschlagen. »Ich komme so bald wie möglich zurück«, waren Ralphs letzte Worte. Dann zog er die Tür ins Schloss, um ihren gemeinsamen Sohn in Sicherheit zu bringen.
    Während er mit dem Jungen den Korridor entlangeilte, versuchte er, die Beklemmung in seiner Brust zu ignorieren, um dem Kind keine Furcht einzujagen. Nach einigen hitzigen Diskussionen mit Berengaria war es ihm am vergangenen Abend schließlich gelungen, sie davon zu überzeugen, dass es für die Sicherheit ihres Sohnes unerlässlich war, ihn aus dem Einflussbereich der Königinmutter und des Prinzen John zu entfernen. Ralph würde ihn in eine Abtei bringen, von der nur er und Berengaria wussten. Lediglich der Abt des bretonischen Klosters sollte die wahre Identität des Jungen kennen, den er als Findling in seinen Orden aufnehmen würde. In der strengen Obhut der Mönche würde der Knabe behütet aufwachsen, bis Ralph es für sicher hielt, ihn zurückzubringen. »Immerhin ist er der Sohn der englischen Königin!«, hatte er Berengaria – zornig über deren Starrsinn – angefahren, sich jedoch sofort mit einem zerknirschten Schulterzucken entschuldigt. »Dein Schwager wird alles unternehmen, um jedwedes Hindernis auf seinem Weg zum Thron auszuräumen. Ganz egal, ob es Sinn macht oder nicht.« Die Verzweiflung in seiner Stimme hatte die Spanierin aufhorchen lassen. »Inzwischen glaubt jeder, dass er hinter Konstanzes Entführung steckt«, hatte Ralph ihr erklärt. »Der junge Prinz Arthur kann sich glücklich schätzen, dass er loyale Hüter hatte.« Mit Tränen in den Augen hatte Berengaria ihn flehend angeblickt, schließlich jedoch den Widerstand aufgegeben und in sein Vorhaben eingewilligt. Nachdem der Stallbursche seinen Hengst gesattelt hatte, hob der Ritter zuerst seinen Sohn auf den Rücken des Rappen, um sich dann hinter ihn in den Sattel zu schwingen. Schützend legte er die Arme um ihn und gab dem Tier die Sporen.

Rouen, Anfang Oktober 1196
     
    Zur selben Zeit, als Ralph de Beaufort seinen Sohn vor der Missgunst des Prinzen John in Sicherheit brachte, trat dieser in Rouen mit geheuchelter Demut vor den englischen König, auf dessen Gesicht sich eine Gewitterfront zusammenballte. »Lass das Theater!«, fauchte Richard seinen Bruder an, der mit einem zynischen Lächeln auf den Lippen vor ihm auf ein Knie gesunken war. Das Prunkgemach in dem Stadtpalast von Rouen, der für gewöhnlich John Lacklands Wohnsitz darstellte, lag in trostlosem Zwielicht, da das Wetter in den letzten Tagen in stürmisches Regenwetter umgeschlagen war. Die Helligkeit reichte gerade aus, um den Unterschied zwischen den beiden Männern hervorzuheben. Als ein Blitz den schwarzen Horizont durchzuckte, wirkte es beinahe, als kommentiere die Natur erschrocken den rohen, ungeschminkten Hass, der sich auf den Gesichtern der Brüder ausbreitete, als sie die Maske der Zivilisiertheit fallen ließen. »Aliénor meinte, du wolltest mich sprechen«, stellte John mit einem verächtlichen Blähen der Nasenflügel fest, während sein Blick ausdruckslos auf dem König lag. Dieser hatte ihm den Rücken zugewandt, um das Naturschauspiel zu betrachten. Eine Zeit lang schwieg Richard Löwenherz, bevor er sich zu Lackland umwandte, um diesen feindselig anzustarren. »Unsere Mutter will mich unbedingt dazu überreden, dich als Thronfolger auszurufen, jetzt da Arthur in Philipps Hand

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