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Im Reich der Löwin

Im Reich der Löwin

Titel: Im Reich der Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Ludwig dafür bekannt war, dass er Unverschämtheiten aufs Schärfste ahndete.
    Hastig wandte er dem Liebhaber seines Bruders den Rücken und eilte an den Resten des hölzernen Gerüstes entlang, den Abhang hinab auf den oberen Burghof zu. Dort hatte sich eine Gruppe der vor wenigen Tagen angekommenen Damen wie Glucken um Harold of Leicester geschart, der sich – seine beiden Sprösslinge auf dem Schoß – im Schatten einer Kastanie ausruhte. Noch immer humpelte der Earl leicht, da die beim Ansturm auf die Festung Milli geschlagene Verletzung zwar gut verheilt war, ihm jedoch besonders bei Wetterumschwüngen immer wieder Schmerzen bereitete. Auch hatte das Nähen der Wunde dafür gesorgt, dass der linke Teil seines Torsos ein wenig verkürzt war. Um ein erneutes Aufklaffen des tiefen Schnittes zu verhindern, ging er daher stets ein wenig gebückt. Seine hochschwangere Gemahlin, Catherine of Leicester, kniete mit einem seligen Lächeln auf den Lippen an seiner Seite. Ihr Anblick versetzte Roland einen Stich der Sehnsucht. Wenn er doch nur die Gelegenheit finden würde, einige Worte mit ihr zu wechseln, um sie nach Jeannes Befinden zu fragen!, dachte er und schalt sich augenblicklich einen Zauderer. Warum den Stier nicht gleich bei den Hörnern packen? Gerade wollte er allen Mut zusammennehmen und sich der Gruppe nähern, als er nahe einer der drei Brunnenanlagen mit dem König zusammenprallte. An dessen Seite machte ein zwar geschwächt, aber zufrieden wirkender John Lackland soeben Anstalten, sich wieder nach Rouen zu verabschieden, um die Flottenverbände, die immer mehr Macht über die Seine gewannen, zu beaufsichtigen. »Sire«, stammelte Roland. Es war lediglich der Tatsache zu verdanken, dass Richards Rechte sich reflexartig um seinen Oberarm schloss, dass er nicht hintenüberpurzelte und wenig elegant – den Allerwertesten voraus – zu Boden ging. »Verzeiht!« Mit einer ungeduldigen Geste winkte Richard Löwenherz ab, ergriff Johns Hand und bemerkte wie beiläufig: »Vergesst das Turnier nicht.« Ein süffisanter Ausdruck legte sich auf seine wettergegerbten Züge. »Zur Feier der Thronfolge.«
    Roland schlug die Augen nieder und wagte bei diesen Worten kaum zu atmen. Auf Druck Aliénor von Aquitaniens hatte Richard Löwenherz, der vor wenigen Tagen seinen vierzigsten Geburtstag begangen hatte, John Lacklands Thronanspruch offiziell anerkannt und die Klausel in dem Friedensvertrag von Louviers, die Arthur zum Erben der Krone ernannte, für ungültig erklärt. Seinen Neffen, Otto von Braunschweig, hatte er zum offiziellen Vertreter seiner deutschen Interessen benannt, da er durch den erzwungenen Lehenseid gegenüber Heinrich VI. zu einem der mächtigsten Vasallen des Heiligen Römischen Reiches geworden war. In dessen Reihen nahm die Unzufriedenheit über den staufischen Führungsstil mehr und mehr zu. Es hatte keiner Hellseherei bedurft, um zu sehen, wie sehr Richard diese Entscheidung widerstrebte. Doch da Lackland ihm wiederholt die Treue erwiesen hatte, war es unmöglich gewesen, diesen Schritt weiter hinauszuzögern, ohne sich offiziell gegen ihn zu stellen. »Ich habe mit dir zu reden.« Die tiefe Stimme seines Halbbruders riss den jungen Mann aus seinen Gedanken. Als er zu dem König aufblickte, ließ ihn das Glitzern in den grauen Augen erschauern. »Ich habe beschlossen, dich zum Ritter zu schlagen.« Als Roland, dem vor Erstaunen das Kinn auf die Brust fiel, eine Erwiderung stammeln wollte, schnitt ihm Richard mit einer ungeduldigen Geste das Wort ab und fuhr fort: »Ich möchte, dass du bei dem Turnier mitkämpfst«, stellte er fest, als handle es sich um das Natürlichste der Welt. Ein schwer zu deutender Zug legte sich um seinen Mund. »Du hast in den vergangenen Monaten gezeigt, dass du ein würdiger Kandidat bist«, setzte er mit einem Stirnrunzeln hinzu. Doch das Lächeln in seinen Augen strafte die strenge Miene Lügen. »Es gibt einen Preis zu gewinnen, den ich dir nicht vorenthalten will.« Mit diesen mysteriösen Worten wollte er seinem Halbbruder den Rücken kehren. Aber dieser sank vor ihm auf die Knie und stammelte: »Mylord, ich danke Euch.« Bevor er etwas hinzusetzen konnte, beugte sich Richard zu ihm hinab und raunte ihm geheimnisvoll ins Ohr: »Danke mir nicht zu früh. Und jetzt geh in die Kapelle und bereite dich auf die Nachtwache vor. Der Bischof wird dir die Beichte abnehmen.« Da sich der König und Walter von Rouen nach dem Urteil des Papstes gütlich geeinigt hatten,

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