Im Reich der Löwin
Grafen der Touraine jeder einzelne Muskel im Leib schmerzte, verdrängte das Glücksgefühl alle anderen Empfindungen. Zärtlich, beinahe vorsichtig, schob er die Hand zwischen sich und seine Braut, die sich bei der Berührung leise murmelnd rekelte, bevor sie mit einem verschlafenen Blinzeln die grasgrünen Augen aufschlug, den Kopf wandte und ihn selig anlächelte. Ohne überflüssige Worte drehte sie sich auf den Rücken, schlang den Arm um seinen Hals und zog ihn an sich, um die Lippen in einem tiefen Kuss auf die seinen zu pressen. Das durch die nur halb geschlossenen Läden hereinfallende erste Sonnenlicht des Tages verschwand hinter einer Wolke, als Roland die Zunge zu Jeannes Kinn hinabwandern ließ, um von dort den Weg ihren Bauch hinab bis zu ihrer Körpermitte fortzusetzen. Wie wundervoll sie schmeckte! Er vergrub sich in ihrem vollkommen geformten Bauchnabel, um kurz darauf ihre Leiste entlang zu den Innenseiten ihrer seidigen Schenkel weiterzugleiten. Sie zog die Luft durch die Zähne, als er tiefer tauchte.
»Oh, Roland«, keuchte sie und zwang ihn mit einem Griff in den schwarzen Schopf mit sanfter Gewalt dazu, sich weiter nach oben zu schieben, um ihn mit einem leisen Wonnelaut in sich aufzunehmen. Während vor den Toren des uneinnehmbaren Château Gaillard die ersten Gäste des Königs sich bereits auf den langen Heimweg machten, liebten sie sich voller Zärtlichkeit und Hingabe. Schließlich ließen sie sich erschöpft und erfüllt zugleich in die Kissen sinken. Heftig atmend verharrten sie einige Augenblicke lang schweigend, bevor Jeanne schwärmerisch murmelte: »Das war sogar noch besser als gestern Nacht.« Im Gegensatz zum vergangenen Abend, als sie sich – kaum war die Tür ihrer Kammer hinter ihnen ins Schloss gefallen – ungeduldig die Kleider vom Leib gerissen hatten, um hungrig übereinander herzufallen, war der heutige Morgen nicht von den Dämonen der Vergangenheit und dem Bedürfnis, die eigene Lebendigkeit zu bestätigen, überschattet. Auch hatte sich die Furcht, dass es sich um einen Traum handeln könnte, nach der ersten gemeinsamen Nacht seit über eineinhalb Jahren wie ein Schemen in Nichts aufgelöst. »Ich will nie wieder ohne dich sein«, flüsterte Roland, der den Kopf an ihre Schulter gebettet hatte. Er seufzte glücklich. Bald würde sie seine Frau sein! »Die Vermählung kann noch diese Woche stattfinden«, hatte der König mit einem Funkeln in den Augen verkündet und ihre Hand in Rolands Rechte gelegt. Auch seine in letzter Zeit unnahbar gewordene Mutter hatte das junge Paar mit einem Ausdruck gemustert, der als Wohlwollen gedeutet werden konnte.
Mit Tränen in den Augen umklammerte Jeanne seinen Rücken und presste ihn mit so viel Kraft an sich, dass Roland zusammenzuckte. Zwar hatte der Heiler des Königs sich unmittelbar nach dem Turnier um die Wunde an seinem Oberarm gekümmert. Doch der von der Lanze eines Gegners herrührende Schnitt schmerzte immer noch heftig. »Ich werde dich niemals wieder gehen lassen«, erwiderte sie heiser und vergrub die Nase in seinem Haar. Nach einigen Minuten, als die Hitze des Liebesspiels verflogen war, zog Roland die Decke über Jeannes Rücken und lauschte auf ihren immer regelmäßiger werdenden Herzschlag. Als hätten die vergangenen Monate des Bangens und Hoffens, der Wehmut und Enttäuschung nicht existiert, war alles von ihm abgefallen, sobald sie ihre Arme um ihn geschlungen und zu ihm aufgeblickt hatte. Mit einem Lächeln schloss er die Augen und ließ die Geräusche der erwachenden Festung an sich vorbeiplätschern. Niemals wieder würde er zulassen, dass man sie ihm wegnahm!
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Auch wenn jeder einzelne Quadratzoll ihres Körpers ihr etwas anderes zuschrie, konnte Jeanne immer noch nicht glauben, dass es wirklich Roland war, der das Bett mit ihr teilte. Während sie seine Wärme in sich aufsog, kehrten gegen ihren Willen die furchtbaren Stunden des Bangens in ihr Bewusstsein zurück und sie strich unwillkürlich mit dem Daumen ihrer Linken über die abgekauten Fingernägel. Mit jedem Reiter, der sich bereit gemacht hatte, gegen ihren Liebsten anzustürmen, war ein Teil von ihr gestorben. Und erst allmählich kehrte das Gefühl, lebendig zu sein, zurück. Sie atmete tief ein. Die Liebe, die sie für Roland empfand, war so gewaltig, dass sie fürchtete, ihr Herz würde zerspringen. Wenngleich es keinen glücklicheren Moment in ihrem Leben geben würde als den jetzigen – den sie für immer in ihrer Erinnerung
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