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Im Reich der Löwin

Im Reich der Löwin

Titel: Im Reich der Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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wärst«, fügte er breit grinsend hinzu. »Ich habe dich schon längst durchschaut!« Mit einem übermütigen Ausdruck auf dem Gesicht kam der dunkelhaarige Bursche federnd auf die Beine und versetzte seinem Begleiter einen spielerischen Stoß. Dann sprang er dem in den Fluss Gefallenen mit einem eleganten Kopfsprung hinterher. »Na, dann zurück!«
    Fasziniert von der Eleganz und Geschmeidigkeit, mit der die nur mit einer Brouche bekleideten jungen Männer der Strömung trotzten, folgte Jeannes Blick dem heiteren Treiben, bis die tief hängenden Zweige einer Weide ihr die Sicht abschnitten. Besonders der dunkelhaarige Knabe, den sie als Richard Löwenherz’ Knappen wiedererkannte, fesselte ihre Aufmerksamkeit. Er war ihr schon vorher aufgefallen, wenn er an der Seite des Königs ritt oder dessen Waffen trug – aber sie hatte immer schnell den Blick abgewendet, da sie fürchtete, die Aufmerksamkeit seines Herrn auf sich zu ziehen. Und dennoch war auch bei diesen Gelegenheiten ihre Neugier oft größer gewesen als ihre Vernunft und sie hatte ihm mehr als nur einmal hinterhergeschielt. Wie anders als Arnauld er war! Im Gegensatz zu dem fetten, faltigen Bauch ihres Gemahls glänzte die schlanke Vorderseite des jungen Kämpfers im letzten Licht der Abendsonne, und die sehnigen Muskeln spannten sich bei jeder seiner kraftvollen Bewegungen. Sie verspürte ein merkwürdiges Ziehen in ihrem Unterleib, das sie jedoch sofort an die unangenehmen Augenblicke im Innern der düsteren Klosteranlage erinnerte. Mit einem Seufzen erhob sie sich, wischte Schmutz und Staub aus ihren Röcken und machte sich auf den Rückweg zum Hauptgebäude. Vielleicht würde sie ihn noch einmal sehen – bevor er zusammen mit dem König wieder aufbrach. Soviel sie wusste, waren die Männer vor einigen Tagen in Rouen angekommen, um sich nach einem kurzen Zwischenstopp auf den Weg nach Vaudreuil zu machen. Mit gesenktem Kopf trottete sie über den Rasen und kniff unwillig die Augen zusammen, als die eben beobachtete Szene sich zurück in ihren Verstand drängte. Warum um alles in der Welt prickelte ihr ganzer Körper? Und warum machte der Bursche überhaupt einen solchen Eindruck auf sie? Ärgerlich über sich selbst wischte sie die Bilder beiseite, aber das lachende Gesicht des jungen Mannes hatte sich bereits unauslöschlich in ihr Bewusstsein eingegraben. Während ein Teil von ihr versuchte, dagegen anzukämpfen, erging sich ein anderer Teil von ihr in Gedanken, die ihre Wangen zum Glühen brachten. Wie es wohl sein mochte, ihn zu berühren?, fragte sie sich, und das Glühen breitete sich weiter aus. Als sie sich einer Schar Dienstmägde näherte, griff sie dankbar nach dem Strohhalm der Ablenkung und schloss sich den Mädchen an – fest entschlossen, das Gefühl zu ignorieren, das ihr mehr Angst machte, als Arnauld es je getan hatte.

Gisors, September 1195
     
    Zwei Tagesritte weiter östlich kämpfte der französische König nur mit äußerster Mühe gegen einen Heiterkeitsanfall an. Seine Mundwinkel zuckten merklich, als er von einem der Fenster zurücktrat. »Wie meint Ihr das, Ihr könnt Euch nicht erinnern?«, fragte er nur halbherzig beherrscht, während er den Grafen de Touraine ungläubig anstarrte. Die Septembersonne malte kleine Rechtecke auf den kalten Steinboden, die von dem Schatten des Königs verschluckt wurden. Vor den Mauern der Festung Gisors veranstalteten Bogen- und Armbrustschützen einen Wettkampf, den die Söhne und Töchter der Dorfbewohner mit Spannung verfolgten. Nur mühsam hatte sich der französische König von der Zurschaustellung der Kampfkunst seiner Männer losgerissen, um seinen General mit hochgezogenen Brauen zu mustern. »Ihr werdet doch wohl wissen, ob Ihr sie gevögelt habt oder nicht!« Sein Kinn bebte leicht, als er sich das Lachen verkniff, das aus ihm herausplatzen wollte. Der beleibte Arnauld de Touraine hatte den Blick gesenkt und nestelte verlegen an dem Gürtel, der sein Surkot davon abhielt, über dem ansehnlichen Bauch aufzuklaffen. Seine gelben Zähne bearbeiteten fieberhaft die ohnehin bereits geschwollene Unterlippe. »Ich war betrunken«, gestand er kleinlaut. »Alles, was ich noch weiß, ist, dass ich am Morgen neben ihr aufgewacht bin.« Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Aber ob etwas zwischen uns war oder nicht, daran kann ich mich nicht erinnern.« Das war zu viel für den französischen König. Mit einem Prusten schlug er dem entmachteten Grafen auf den Rücken und platzte

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