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Im Reich der Löwin

Im Reich der Löwin

Titel: Im Reich der Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Kampfes. Hoffentlich hatte sie recht mit diesem Versprechen! Nach scheinbar endlosen Minuten des Bangens tauchte schließlich das Gesicht des älteren Ritters über ihnen auf und blickte grimmig auf sie hinab. »Kommt, schnell«, drängte er. »Wir sollten hier nicht länger als nötig bleiben!« Da sie ihre Reittiere in England zurückgelassen hatten und bisher noch keine neuen hatten erstehen können, nahm Catherine ihre Tochter auf den Arm, griff nach Williams Hand und zog den Knaben hinter sich her. »Ihr braucht einen Arzt«, stellte sie atemlos fest, als sie zu dem Ritter aufgeschlossen hatte. Doch dieser winkte verächtlich ab, nahm ihr den Jungen ab und eilte weiter den schmalen Weg entlang. Im nächsten Dorf würden sie versuchen, wenigstens einen Esel oder ein Maultier für die Kinder zu erwerben. Aber so, wie die Dinge standen, schien man auch mit Silbermünzen nicht mehr alles kaufen zu können.

London, September 1195
     
    Im Gegensatz zu dem milden Spätsommerklima auf dem Festland schüttete es in London wie aus Kübeln. Während der peitschende Regen ihn bis auf die Haut durchnässte, trabte Guillaume of Huntingdon innerlich kochend die verschlungenen Gässchen der englischen Hauptstadt entlang, bis er zu der Adresse gelangte, die ihm einer seiner Spione am Ludgate zugeflüstert hatte. Nachdem er seine Schwägerin in Portsmouth um knapp einen Tag verfehlt hatte, war er nach einer durchzechten Nacht, in der er seine Wut an einer der Hafenhuren ausgelassen hatte, in einen Gasthof getorkelt, um seinen Rausch auszuschlafen. Am nächsten Morgen hatte er mürrisch den Wirt bezahlt und war nach London aufgebrochen. Da zu erwarten war, dass Catherine ihren Gemahl unbeschadet erreichen würde, war er von nun an gezwungen, in der riesigen Stadt unterzutauchen. Kurz vor seinem Aufbruch hatte er einem Boten eine kurze Nachricht an John Lackland anvertraut, um diesen davon in Kenntnis zu setzen. Nachdem es ihm bei seinem letzten Aufenthalt in London bereits gelungen war, einige der Bischöfe auf Lacklands Seite zu ziehen, würde es ihm nicht schwerfallen, einen Patron zu finden, der ihm Unterschlupf gewährte. Wenn die Angelegenheit mit FitzOsbern erst einmal im Rollen war, würde sich seine Lage ohnehin radikal verbessern. Denn als Vertrauter des Prinzen durfte er auf eine einträgliche Stellung in der neuen Regierung Englands hoffen.
    Frierend saß der junge Mann vor den verriegelten Türen einer im Dunkeln liegenden Taverne ab, klopfte dreimal an das Hoftor und wartete. Nach einigen zermürbenden Augenblicken der Stille quietschte irgendwo im Inneren ein Scharnier und keine zwei Minuten später öffnete sich ein kaum handbreiter Spalt. Eine zahnlose Alte, die er aus FitzOsberns Haus kannte, lugte misstrauisch in das von einer schwachen Pechfackel erzeugte Zwielicht. »Ach, Ihr seid es«, krächzte sie mit einem Unterton in der Stimme, der Guillaume wünschen ließ, freie Hand mit ihr zu haben. »Tretet ein.« Quälend langsam schob sie den linken Flügel ein wenig weiter auf, sodass der Junker sein Reittier hindurchführen konnte, nahm ihm den Zügel ab und wies auf eine schmale Treppe, die in ein Kellergewölbe führte. »Sie haben bereits begonnen.« Mit diesen Worten verschwand sie in Richtung Stall und überließ Guillaume, der hastig über den schlammigen Hof eilte, sich selbst. Je zwei Stufen auf einmal nehmend, hastete er in den gähnenden Schlund, an dessen Ende ihn eine Wache aufhielt: »Die Losung!«, blaffte der Riese ihn an und hob eine bedrohlich blitzende Klinge. »Lackland«, erwiderte Guillaume gereizt, trat an ihm vorbei in den überfüllten Raum und schüttelte den Regen aus dem Umhang.
    »Wenn wir etwas ändern wollen, brauchen wir Waffen«, ertönte FitzOsberns tiefe Stimme von einer leicht erhöhten Plattform am Kopfende des riesigen Raumes, in dem sich etwa fünfhundert zerlumpte, übel riechende Gesellen drängten. Eine hohe Gewölbedecke überspannte den nach Feuchtigkeit und Schimmel riechenden Kellerraum, der von mehreren stark rußenden Fackeln erhellt wurde. Ein Husten unterdrückend presste Guillaume angewidert ein seidenes Tüchlein vor Nase und Mund, um sich vor dem auf ihn einstürmenden Gestank zu schützen. Glitzernd rannen dünne Bächlein zwischen den Steinquadern zu Boden, wo sie in dem halb verfaulten Bodenstroh versickerten, das unter den Füßen des jungen Mannes raschelte. »Wie wollt ihr die befestigten Häuser der Reichen aufbrechen, wenn ihr mit Heugabeln und

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