Im Reich des Vampirs
Epochen hinweg im Netzwerk der Superreichen von der Ãffentlichkeit unbemerkt von Hand zu Hand gingen.
Ich sah Gemälde, von deren Existenz die Welt nichts ahnte, Artefakte, die unglaublicherweise Jahrhunderte überdauert hatten, die handschriftliche Urfassung eines Theaterstücks, das nie aufgeführt worden war und niemals auf die Bühne kommen würde â ein groÃer Verlust für die Menschheit. Ich lernte, dass Menschen ein Vermögen ausgaben, nur um etwas Einzigartiges zu besitzen und den Neid Gleichgesinnter heraufzubeschwören.
Die Gebote waren unfassbar hoch. Eine Frau bezahlte umgerechnet vierundzwanzig Millionen Dollar für ein Gemälde in der GröÃe meiner Hand. Eine andere erstand eine walnussgroÃe Brosche für drei Komma zwei Millionen. Der berühmte Fernsehschaffende erwarb einen unbekannten Klimt für neunundachtzig Millionen. Es wurden Juwelen angeboten, die einst Königinnen gehört hatten, Waffen aus dem Besitz der berüchtigtsten Schurken der Geschichte, sogar ein italienisches Anwesen mitsamt Privatjet und Oldtimersammlung.
Barrons ersteigerte zwei alte Waffen und ein Tagebuch von einem GroÃmeister einer Geheimgesellschaft. Ich saà auf meinen Händen, um jedes Gestikulieren zu vermeiden, und beobachtete nahezu atemlos, wie ein Schatz nach dem anderen gezeigt wurde. Es kostete mich groÃe Anstrengung, den Kopf nicht zu bewegen â das ist beträchtlich schwerer, als man gemeinhin annimmt. Der Drang, eine Haarsträhne, die sich aus meiner strengen Frisur gelöst hatte, aus dem Gesicht zu schnippen, trieb mich an den Rand des Wahnsinns. Ich hatte keinen blassen Schimmer gehabt, wie oft die Körpersprache die Gedanken verriet, bis ich mich in dieser Nacht wiederholt bei dem Wunsch ertappte, mit den Schultern zu zucken, den Kopf zu schütteln oder zu nicken. Kein Wunder, dass mich Barrons so leicht durchschaute. Es war keine angenehme Nacht, aber sie war unvergesslich. Als das Feenobjekt endlich enthüllt wurde, war ich ahnungslos, worum es sich handelte. Barrons hingegen wusste Bescheid â und er wollte es unbedingt in seinen Besitz bringen. Auch ich hatte gelernt, ihn zu durchschauen.
Es war ein Amulett in der GröÃe meiner Faust â ich habe kleine Hände; Saphire und Onyx in Gold und Silber gefasst â laut Zertifikat bestand es zudem aus weiteren nicht identifizierbaren Metallen und ähnlich mysteriösen Edelsteinen. Ein in Gold eingebetteter groÃer durchsichtiger Stein unbekannter Zusammensetzung bildete den Mittelpunkt und das Ganze hing an einer langen, dicken Kette. Das Stück hatte eine abwechslungsreiche Geschichte, die bis in die Zeiten zurückreichte, in der es den Homo sapiens noch gar nicht gegeben hatte. Angeblich wurde es für die Konkubine des mythischen Königs angefertigt, der als Cruz bekannt geworden war.
Alle Teilnehmer bekamen einen Schnellhefter, in dem die Herkunft des Objektes beschrieben und eine Reihe von ehemaligenBesitzern aufgezählt wurde. Mir fielen fast die Augen aus dem Kopf, als ich in Barronsâ Hefter schielte. Jeder ehemalige Besitzer des Amuletts hatte eine bedeutende Rolle in der Geschichte oder in der Mythologie gespielt â selbst ich, die in den meisten Geschichtsstunden in der Schule geschlafen hatte, kannte die Namen. Einige waren heldenhaft und gut, andere abgrundtief schlecht gewesen. Alle hatten ungeheure Macht.
Der Auktionator zwinkerte, als er von der »mystischen« Kraft des Amuletts, dem Besitzer die geheimsten Wünsche zu erfüllen, erzählte.
Wünschen Sie sich Gesundheit? , fragte er den röchelnden Mann im Rollstuhl leise. Ein langes Leben? Einer seiner Besitzer â zufällig ein Waliser wie Sie, Sir â stand in dem Ruf, mehrere hundert Jahre alt geworden zu sein.
Vielleicht haben Sie politische Ambitionen. Er wandte sich an den berühmten Mann. Würden Sie gern Ihre groÃartige Nation regieren? Wie wärâs mit mehr Reichtum?
Konnte er noch wohlhabender sein?, fragte ich mich. Ich an seiner Stelle würde mir einen besseren Haarschnitt wünschen.
Möglicherweise sehnen Sie sich danach, wieder so begehrenswert wie in Ihrer Jugend zu sein, flötete er der verblassten Schönheit mit den hängenden Mundwinkeln zu. Oder Sie wollen Ihren Ehemann zurückhaben? Wünschen sich, dass seine neue junge Frau â sagen wir â ihre verdiente Strafe
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