Im Rhythmus der Leidneschaft
Flusses in der Nähe von Bayou Banner. Trotz ihrer Wut musste Susannah Ellie recht geben. Nicht einmal eine professionelle Wahrsagerin wie Mama Ambrosia hätte die Magie erklären können, die manchmal immer noch zwischen ihr und J. D. herrschte. Sie beide hatten in ihrer Jugend sogar eine Geheimsprache für sich entwickelt. Fast meinte sie, J. D.s Atem an ihrem Ohr zu spüren und ihn sagen zu hören: Susannah, was hältst du von ein bisschen Magie?
In einer jener lauen Nächte, für die das Mississippi-Delta berühmt war, hatte er ihr einen Antrag gemacht. Auf dem Bayou glitzerten die kleinen Wellen im Mondlicht, und der Duft der Forsythien umgab sie in einer Nacht so verheißungsvoll wie Mama Ambrosias stärkster Liebestrank.
Sie kamen vom Abschlussball, und ihre Festkleidung, sein Smoking und ihr blassgelbes Abendkleid, lag neben ihnen auf dem Boden. J. D. und sie vergnügten sich nackt auf Piniennadeln und sahen durch die Zweige in den Sternenhimmel hinauf. Mit samtiger Stimme hatte er das Lied Oh, Susannah für sie gesungen und gesagt: „Ich würde dich am liebsten auf der Stelle heiraten, Susannah Banner.“
Sie erinnerte sich, als wäre es erst gestern gewesen. Lächelnd hatte sie ihm über die Brust gestrichen und ihn geküsst. „Du willst mich jetzt gleich heiraten?“, hatte sie gefragt. Es war das Romantischste, was sie je gehört hatte. Seine Stimme war rauchig und geheimnisvoll. Trotzdem hatte sie gesagt: „Wieso sollte ich Ja sagen?“
„Wenn wir verheiratet wären, könnten wir den ganzen Tag im Bett liegen.“
„Typisch J. D.“ Sie hatte gelacht. „Denkst du eigentlich irgendwann an etwas anderes als an Sex?“
„Stört dich das?“
„Überhaupt nicht. Dein Wunsch nach Sex ist das Einzige, was ich an dir mag, J. D.“ Das stimmte jedoch nicht ganz. Auch seinen Sinn für Humor mochte sie sehr.
Damals war sie achtzehn gewesen, und da ihre Eltern im Jahr zuvor bei einem Autounfall ums Leben gekommen waren, hätte niemand außer ihrer zehn Jahre älteren Schwester June sie davon abhalten können, den rebellischen J. D. zu heiraten. Natürlich hatte sie noch nie auf das gehört, was June ihr sagte.
Also waren sie am Tag darauf Mann und Frau geworden.
Zu der Zeit spielte J. D. in Clubs und Bars, und die Ausrüstung seiner Band passte bequem in einen kleinen Lieferwagen.
Inzwischen war jeder Auftritt mit viel größerem Aufwand verbunden, und die Band war mit großer Begleitung unterwegs. Susannah konnte froh sein, wenn seine Managerin Maureen ihr überhaupt seine aktuelle Handynummer verriet. Technische Spielereien interessierten sie nicht, doch ihr traditionell eingerichtetes Haus war vollgestopft mit Elektronik, vom Computer über Verstärker bis hin zu einer Alarmanlage, die sie nicht bedienen konnte.
„Susannah? Das Übliche?“
Delias Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Die Besitzerin des Restaurants kam ihr wie ein Fels in der Brandung vor, ein bisschen pummelig mit hübschem alterslosem Gesicht und in scheinbar immer demselben schlichten Kleid mit der weißen Schürze darüber. Wie üblich zog sie den Bleistift wie ein kleines Schwert aus ihrem Haarknoten und hielt ihn über den Bestellblock. „Was darf ich euch beiden Hübschen bringen?“
Susannah zuckte unentschlossen mit den Schultern. „Ich weiß nicht, Delia. Ich habe keinen großen Hunger. Vielleicht einen Toast.“
Stöhnend steckte Delia den Bestellblock weg und stemmte die Hände in die Hüften. „Hätte ich mir schon denken können, dass etwas nicht stimmt, so wie du deinen Wagen geparkt hast. Was hat dieser Teufel dir diesmal angetan?“
„Überhaupt nichts“, log Susannah. Sie wusste, wenn sie den Mund aufmachte – jedem gegenüber, abgesehen von Ellie –, wüsste bald die ganze Stadt Bescheid.
Früher waren die Banners die prominenteste Familie des Ortes gewesen. Susannah hätte die Tradition gern fortgeführt, aber anstatt den Weihnachtsbaum vor dem Rathaus zu dekorieren oder bei der Osterparade vorn mitzulaufen, verbrachte sie die Zeit damit, sich überall und bei jedem für die Ausfälle ihres wilden Ehemanns und seiner Freunde aus der Großstadt zu entschuldigen.
Fast wären ihr wieder die Tränen gekommen, so sehr sehnte sie sich nach dem alten J. D., nach dem zärtlichen und liebenswerten Mann, den sie geheiratet hatte.
Wenn doch ihre Mutter noch am Leben wäre! Barbara Banner hätte gewusst, wie man mit J. D. umgehen musste. Die zierliche Frau war sehr belesen und hatte gern gemalt.
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