Im Ruecken steckt das Messer - Geschichten aus der Gerichtsmedizin
einem Konsilium zusammen und berieten, ob eine operative Eröffnung des Schädels vorgenommen werden solle. Während die Ärzte konferierten, kam um 15 Uhr 30 die Krankenwärterin und meldete, dass der 68-jährige Schliemann plötzlich gestorben sei. Was war hier geschehen? Wie konnte es zu dieser tragischen Entwicklung kommen?
Einen Monat zuvor hatte Schliemann bei Spezialisten in Deutschland gutartige Knochenverwucherungen in beiden Gehörgängen operativ entfernen lassen. Er hatte sich danach besser gefühlt und seine Reisetätigkeit wieder aufgenommen. Da war es zu der gefürchteten Komplikation einer Mittelohreiterung gekommen. Er hatte auf seinem Weg nach Griechenland in Neapel Station gemacht, plötzlich heftige Schmerzen empfunden und sich nicht mehr auf das Schiff nach Athen gewagt, sondern nach Hause telegrafiert, die Weihnachtsfeier zu verschieben. Danach hatte er Dr. Cozzolini konsultiert, der ihm durch Injektionen Erleichterung verschaffte.
Am Weihnachtsabend saß er dann allein im Speisesaal des Hotels und trank am Morgen darauf im Frühstückszimmer seinen Kaffee. Was dann passierte, ist fast unbegreiflich! Wahrscheinlich verließ Schliemann, um sich noch eine Injektion geben zu lassen, am 25. Dezember das Hotel, schaffte es aber nicht mehr bis zu Dr. Cozzolinis Praxis. Das Krankenhaus, in dem er vielleicht hätte gerettet werden können, wies ihn zurück. Als Fremder in einer fremden Stadt, starb er im Hotel.
Ein Fehler mit weltpolitischen Folgen
Am 15. Juni 1888 starb der 57-jährige deutsche Kaiser Friedrich III. an Kehlkopfkrebs. Er hatte nur 99 Tage regiert und konnte während dieser Zeit kein Wort reden. Seine Krankheit dauerte eineinhalb Jahre und sein Schicksal war bestimmt durch zwei falsche Diagnosen. Nachdem die deutschen Chirurgen sofort ein Karzinom des Stimmbandes vermutet hatten, sollte noch die Meinung des englischen Kehlkopfspezialisten Dr. Morell Mackenzie eingeholt werden. Dieser entnahm eine Gewebsprobe zur mikroskopischen Untersuchung, und dabei ging einiges schief. Der Internist Karl Gerhardt sprach es aus: »Es dürfte dies der erste Fall sein, in dem ein Kehlkopfarzt dem Kranken aus Versehen ein Stück aus dem gesunden Stimmband wegzureißen versuchte!« Das war der erste Fehler. Der berühmte Pathologe Rudolf Virchow untersuchte das Gewebsstück und erklärte: »Der Kaiser leidet nicht an Krebs.« Das war der zweite Fehler. Daraufhin wurde nicht operiert, sondern gepinselt, gespült und ausgebrannt. Das Karzinom wuchs natürlich weiter und im Januar 1888 hustete der Patient ein Stück des zerstörten Kehlkopfes aus. Es musste ein Luftröhrenschnitt gemacht werden, sonst wäre der Kaiser erstickt: Die Folge dieser Operation war, dass er bis zu seinem Tode nicht mehr sprechen konnte. Deutschland hatte einen stummen Kaiser.
Hätte der liberal gesinnte Friedrich III. länger gelebt, dann wäre Europa vielleicht sogar die Katastrophe des Ersten Weltkrieges erspart geblieben. Die antienglische Wendung in der Außenpolitik und den Bau der deutschen Kriegsflotte hätte Friedrich sicher nicht durchgeführt. Jedoch kam nun sein Sohn an die Macht, jener unsägliche Wilhelm II., der durch eine Geburtsverletzung seinen linken Arm nicht bewegen konnte. Auch das war ein ärztliches Missgeschick der Geburtshelfer gewesen
und es hatte mit Sicherheit zu der hochfahrenden Arroganz und Präpotenz des Preußen beigetragen.
Eine alte Weisheit der Chirurgen lautet: »Und wenn Du noch soviel chirurgst, es kommt der Tag, an dem Du murkst.«
Die Misere der Totenbeschau
Das Leichen- und Bestattungswesen in Österreich, Deutschland und der Schweiz ist rechtlich gesehen Landessache, d. h. in den einzelnen Bundesländern bzw. Kantonen durch eigene Gesetze geregelt. Zum Leichenwesen gehört die Totenbeschau, die Leichenöffnung, die Einbalsamierung, die Entnahme von Leichenteilen, die Exhumierung von Leichen etc. Aussichten zur Vereinheitlichung der Leichengesetzgebung im Rahmen der EU existieren nicht. Praktisch bedeutet das: Es wird aus der Sicht des Gesetzgebers in jedem Bundesland etwas anders gestorben!
Wer beschaut wen?
Die amtliche Totenbeschau wurde 1770 durch Kaiserin Maria Theresia in den österreichischen Erblanden eingeführt. So steht es in Lehrbüchern und Zeitungsartikeln, und so ist es falsch. Bereits 1551 unter Kaiser Maximilian II., er war ein Neffe von Karl V., gab es in Wien schriftliche Regeln zur Abwicklung der Totenbeschau. Manche Hofdekrete aus der Zeit Maria
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