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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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ein perfekter Gentleman«, sagte Mercer und klappte seinen Notizblock auf. »Er hat einen BWL-Abschluss von der Universität London – spar dir dein Grinsen, Alex – und von der Sorbonne. Achtundsechzig Jahre alt. Er ist seit fast dreißig Jahren im diplomatischen Dienst und seit sechs Jahren hier in New York tätig.«
    »Wo wohnt er?«
    »In einem Stadthaus in der 74. Straße Ost, zwischen der First und Second Avenue.«
    »Hoffentlich ist das für unseren Profiler nahe genug am ›Jeopardy Center‹. Könnte nicht besser sein. Wie viel weiß er zum jetzigen Zeitpunkt?«, fragte ich.
    »Um halb fünf hatte ich von der Einwanderungsbehörde auch die Auskünfte über die anderen Familienmitglieder. Die Frau pendelt zwischen New York und Dahlakien hin und her. Fünf Kinder, alle zwischen zwanzig und dreißig. Drei Söhne, zwei Töchter. Sie sind alle im Laufe der Jahre mehrfach ein- und ausgereist. Ein Agent der Einwanderungsbehörde hat mich zu Maswanas Büro im Sekretariatsgebäude begleitet, also musste ich meinen Ausweis nicht vorzeigen. Ich hielt es für unverfänglicher, ihm Einwanderungsfragen zu stellen, als ihm zu sagen, dass wir hinter einem Serienvergewaltiger her sind.«
    Das hörte ich gern. Ich war ähnlich aufgeregt wie die Detectives im Nachbarraum und verspürte einen Adrenalinstoß. »Gut gemacht. Was hat er gesagt?«
    »Der Agent erklärte Maswana die neuesten Sicherheitsbestimmungen bei der Einreise für Personal der Vereinten Nationen. Die Regierung entwickelt eine neue Ausweisform, um alle Diplomaten, die sich einer ausführlichen Terrorismus-Prüfung unterziehen, zügig und als VIPs durchzuschleusen. In dem Zusammenhang fiel es nicht auf, dass wir anschließend Schritt für Schritt seine Familie durchgingen.«
    »War er kooperativ?«
    »Voll und ganz. Allzeit bereit, den guten alten Vereinigten Staaten zu helfen und alles zu tun, um am Flughafen schneller abgefertigt zu werden. Mrs Maswana ist noch bis April hier. Beide Töchter studieren, die eine in Princeton, die andere in Georgetown.«
    »Und seine Söhne?«, fragte ich.
    »Der Jüngste, Sofi Jr. ist dreiundzwanzig. Studiert in Harvard, war aber seit Weihnachten zu Hause, um an einem unabhängigen Forschungsprojekt zu arbeiten. Er ist letztes Wochenende zurück nach Cambridge gereist, aber Mr Maswana wird ihn, falls nötig, herzitieren.«
    »Timing ist alles«, sagte ich. »Er wäre zum Zeitpunkt der jüngsten Verbrechen hier gewesen, aber er ist ein bisschen jung für die Täterbeschreibung, vor allem für die Fälle, die ein paar Jahre zurückliegen. Wie steht’s mit den beiden älteren Söhnen?«
    »Der mittlere, David, ist heute Abend mit seinem Vater hier. Siebenundzwanzig Jahre alt. Er arbeitet im Exportgeschäft seines Onkels – dahlakische Perlen – in der Fifth Avenue, in der Nähe des Diamantendistrikts. Er ist in den letzten fünf Jahren viel gereist.«
    »Das würde zur U-Bahn-Haltestelle in der 51. Straße passen.« Der Umschlagplatz für den Juwelenhandel an der 47. Straße hatte sich in die angrenzenden Straßen ausgebreitet.
    »Er wohnt noch zu Hause bei Mama und Papa. Er ist seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Ich will mich nicht zu voreiligen Schlussfolgerungen hinreißen lassen, aber es sieht verdammt gut aus, Alex.«
    »Und sein großer Bruder?«
    »Ist ebenfalls viel unterwegs. Er wird nächstes Jahr dreißig. Seine Frau lebt mit den Zwillingstöchtern in Dahlakien. Laut Mr Maswana ist Hugo im Private Banking tätig, sei aber das letzte Mal im Sommer vergangenen Jahres zu einem Kurzbesuch in den Vereinigten Staaten gewesen.«
    »Haben Sie das mit der Einwanderungsbehörde abgeglichen?«, fragte der Lieutenant.
    »Es deckt sich mit ihren Unterlagen. Alle Maswanas sind hier, bis auf Hugo.«
    »Und er war laut Unterlagen auch nicht im Land, als die Vergewaltigungen wieder anfingen?«, fragte ich.
    Mercer nickte.
    »Was hast du als Nächstes getan? Wie hast du Mr Maswana beigebracht, dass du dich mit seinem Sohn über eine polizeiliche Ermittlung unterhalten willst?«
    »Als wir mit den allgemeinen Fragen fertig waren, gingen der Agent der Einwanderungsbehörde und ich eine Minute vor die Tür. Ich rief den Lieutenant an, der bereits ein paar Leute vor Maswanas Stadthaus postiert hatte. Also bin ich wieder ins Büro des Botschafters gegangen und habe ihm die Wahrheit gesagt. Er hätte mir am liebsten ins Gesicht geschlagen – da bin ich mir ganz sicher – aber er verhielt sich wie ein vorbildlicher Diplomat.

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