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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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zwei Eingängen und schien zu überlegen, welcher der ihre war.
    »Ich würde ja aussteigen und ihr helfen«, sagte Mercer. »Aber dann würde sie wahrscheinlich die ganze Nachbarschaft zusammenschreien.«
    Sie zog sich am Geländer die sechs Stufen zu ihrer Haustür hoch und suchte an ihrem Schlüsselbund nach dem richtigen Schlüssel. Sie wäre für jeden Übeltäter eine leichte Beute gewesen.
    Karras stieg wieder ins Auto und bat uns, ihn zum nächsten Tatort zu bringen. Schweigend machte er sich Notizen auf seinem PalmPilot. Mercer fuhr zurück zur York Avenue und hinunter zur 78. Straße. An einem Tatort nach dem anderen sahen wir dem Profiler dabei zu, wie er die Straßen und Seitenstraßen prüfend auf und ab ging. Er maß die Abstände zwischen den Straßenlaternen mit Schritten aus und notierte sich Hydranten und vereinzelte Bäume.
    Nachdem wir alle Tatorte abgeklappert hatten, fuhren wir zu einem Coffee Shop in der Second Avenue, der rund um die Uhr geöffnet hatte. Ich konnte kaum noch meine Augen offen halten.
    »Welche Hypothesen hat die Taskforce beim letzten Mal aufgestellt?«, fragte Karras.
    »Wir dachten als Erstes an die Restaurants oder Bars in der näheren Umgebung. Da er nie vor Mitternacht zuschlug, vermuteten wir, dass der Typ hier in der Gegend arbeitete und um Mitternacht oder ein Uhr seine Schicht beendete. Laut Aussage der Opfer war er sauber und roch gut. Also jemand, der sich frisch machte, bevor er nach Hause ging«, sagte Mercer.
    »Was ist mit Krankenhäusern?«
    »Hier in der Gegend gibt’s zwei große – das New York Hospital und das Lenox Hill Hospital. Ja, es würde sich wunderbar mit dem Schichtdienst decken. Wir forderten die Akten aller Männer an, die dort arbeiteten, von Neurochirurgen über Krankenpfleger bis hin zu den Angestellten des Hol- und Bringdienstes. Das hat Monate gedauert. Bis wir alle durchgesehen hatten, war er verschwunden.«
    »Wir haben auch haufenweise DANN-Proben vom Krankenhauspersonal genommen«, sagte ich, »und sie mit der DANN des Täters verglichen.«
    »Ich habe mir auf dem Flug die Polizeiberichte angesehen, die Mercer mir geschickt hat. Können Sie mir mehr über die Opfer erzählen? Persönliche Details?«
    »Alles, was Sie wissen wollen«, sagte ich.
    »Alex und ihre Kollegen machen die gründlichsten Interviews, die Sie sich vorstellen können. Es gibt nichts, was wir Ihnen nicht über diese Frauen erzählen können.«
    Meine Theorie war, dass ich mindestens so viel über die Opfer wissen musste wie der Angeklagte und mehr, als der beste Verteidiger jemals herausfinden konnte.
    »Können Sie die Taskforce zu einem Brainstorming zusammentrommeln?«, fragte Karras.
    »Natürlich. Alex und Sarah Brenner, ihre Stellvertreterin, haben selbst alle Opfer betreut. Ich kümmere mich um die Detectives. Wann?«
    »Ich gebe Ihnen Bescheid, wenn ich so weit bin.«
    »Einverstanden. Was machen Sie als Nächstes?«
    »Die Daten, die ich mir zu den jeweiligen Örtlichkeiten notiert habe, ergeben ein Bild über den räumlichen Aktionsradius des Täters. Es gibt einen Prototyp eines Computerprogramms namens Rigel. Sobald ich alle Tatorte eingebe sowie jedes Krankenhaus, jeden Gastronomiebetrieb, jede Schule, mögliche geographische Grenzen –«
    »Es gibt keine geographischen Grenzen.«
    »Täuschen Sie sich da mal nicht, Alex. Ich sammle vielleicht mehr Anhaltspunkte als Sie sich bewusst sind. Dieser Fall wird eine sehr bunte Landkarte ergeben.«
    »Wir haben bereits eine Karte.« Ich war müde und ungeduldig und hatte Bedenken, dass das hier genauso sinnlos war wie der ganze Psychokram.
    »Ich ermittle den wahrscheinlichen Ausgangs- oder Stützpunkt des Täters, die so genannte ›Jeopardy Surface‹. So etwas haben Sie noch nicht.«
    Ich sah Mercer an und verdrehte die Augen. »Nennt man das so – ›Jeopardy Surface‹? Lassen Sie das bloß nicht Michael Chapman hören!«
    »Ich versuche sein Zuhause oder seine Arbeitsstelle einzugrenzen. Darüber lege ich dann eine Karte der Tatorte, welche die virtuellen Fingerabdrücke des Täters darstellen. Je mehr Tatorte, desto besser lässt sich mit dem Programm der wahrscheinliche Aufenthaltsort des Täters bestimmen.«
    Also verfolgten Karras und wir völlig gegenteilige Ziele: Je mehr Verbrechen, desto besser für ihn, weil seine Karte immer farbiger wurde. Ich besah mir ein altes Beispiel, das er uns mitgebracht hatte. Ein hellroter Punkt für das ›Jeopardy Center‹, orangefarbene Schattierungen für den

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