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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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nicht. Er behauptet, er hätte einen Zweitschlüssel – für Notfälle. Er hat die Polizei angerufen. Es hat keine Stunde gedauert, bis der Gerichtsmediziner hier war.«
    »Wo ist der Freund jetzt?«
    »Er sitzt auf dem Revier und gibt seine Aussage zu Protokoll. Glaubt mir, er ist nicht der Täter.«
    »Weiß man, wie es passiert ist?«
    Mike ging uns voraus durch den Flur, das Wohnzimmer, die Küche und das Bad ins Schlafzimmer. Die langen, schmalen Räume reihten sich wie Zugwaggons aneinander.
    Ich schlug die Hand vor den Mund, als ich das Blut auf dem beigefarbenen Leinenbettlaken sah. Im Gegensatz dazu hatten die Flecken vor Annika Jelts Wohnung ausgesehen, als könnte man ihnen mit ein paar Pflasterstreifen beikommen.
    Die Nachttischlampe lag auf dem Boden, und das Telefonkabel war aus der Wand gerissen.
    »Emily Upshaw. Dreiundvierzig Jahre alt«, las Mike von seinem Notizblock ab. »Allein stehend. Sie wohnte seit fast fünfzehn Jahren hier.«
    Ich blickte mich nach Fotos um.
    »Brünett, ungefähr eins siebzig, leicht übergewichtig.«
    Mercer runzelte die Stirn. »Sie ist zu alt für unseren Kerl. Und sie hat auch ein bisschen zu viel Fleisch auf den Rippen.«
    Mike ließ sich nicht beirren. »Sie trug einen Skianorak – er ist im Wohnzimmer. Mit der Kapuze auf dem Kopf und von hinten ließen sich ihr Alter und ihr Taillenumfang schwer einschätzen. Euer Vergewaltiger ist auch älter geworden. Vielleicht ist er jetzt weniger wählerisch.«
    Mercer schüttelte den Kopf und sah sich um.
    Auf der Kommode standen ein paar gerahmte Fotos, auf denen jeweils zwei, drei Personen zu sehen waren. Eine Strandszene, ein Wanderausflug, eine Fahrradtour und eine Hochzeit.
    »Was macht, äh, was hat sie gemacht?«, fragte ich. An den Wänden hingen Museumsposter in billigen Metallrahmen, kaum anspruchsvoller als das, was man in einer Studentenbude finden würde.
    »Sie war freie Autorin und Journalistin. Zeitschriftenartikel, Buch- und Filmkritiken. Alles, womit sie die Miete bezahlen konnte, sagt ihr Kumpel.«
    Mike winkte uns in das letzte Zimmer, das wie ein Arbeitszimmer eingerichtet war.
    »Und Alkoholikerin. Hatte ich das schon erwähnt?«
    Neben dem umgekippten Abfalleimer lagen zerknüllte Schreibmaschinenblätter und leere Flaschen. Vor allem Wodka und billiger Rotwein.
    »Schraubverschlüsse.« Mike nahm eine halb volle Burgunderflasche vom Schreibtisch. »Eine Frau ganz nach meinem Geschmack. Slainte, Emily.«
    Neben dem Schreibtisch stapelten sich Zeitungen. Die gestrigen Schlagzeilen lagen oben auf.
    »Hast du den Computer schon überprüft?«, fragte ich.
    »Ich hab ihn noch nicht angerührt. Er war ausgeschaltet, als wir herkamen. Ich nehme die Festplatte mit, damit wir sie herunterladen können.«
    Die Polizei hatte Experten für die forensische Analyse von Computern. Emilys Dateien und E-Mails gaben uns vielleicht einen Hinweis auf ihre jüngsten Aktivitäten und ihre Korrespondenz, und die Cookies auf ihrem Web-Browser würden uns verraten, welche Websites sie in den letzten Tagen vor ihrem Tod aufgerufen hatte. Das wäre natürlich nur dann relevant, wenn der Mörder kein Fremder war und bereits vor dem heutigen Abend eine Verbindung zwischen ihnen bestanden hatte.
    Ich blätterte in den Mappen auf ihrem Schreibtisch, während Mike fortfuhr: »Teddy – das ist ihr Kumpel, Theodore Kroon –, Teddy und Emily kennen sich seit fast fünfzehn Jahren.«
    »Sind sie ein Paar?«
    »Teddy steht nicht auf Frauen. Ich habe ihn noch nicht gefragt, wie sie sich kennen gelernt haben. Sie waren gegen Mitternacht in einer Bar auf der York Avenue verabredet.«
    »Mitternacht? Warum so spät?«, fragte ich.
    »Emily arbeitete an einem Artikel über die Show eines Performance-Künstlers am Beacon-Theater. Irgend so ein Musikfreak, der Burt-Bacharach-Songs im Stil von Beethoven vertont und dazu deutsche Texte singt. Die Vorstellung sollte bis kurz vor elf dauern. Sie wollte ihre Notizen zu Hause abliefern und sich umziehen, da sie auf dem Weg zur York Avenue ohnehin an ihrer Wohnung vorbeikam. Danach wollte sie sich mit Teddy auf einen Cocktail treffen.«
    »Also glaubst du, dass der Mörder sie vor dem Haus abgefangen hat?«, fragte Mercer.
    »Wahrscheinlich. Bislang haben wir noch keine Zeugen, aber bei den anderen war es auch so, oder? Ihre Handtasche liegt im ersten Zimmer, ihre Schlüssel sind noch drin.«
    Mike und Mercer gingen zurück ins Schlafzimmer. Die Artikel, an denen Emily Upshaw gearbeitet hatte,

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