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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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konnten nicht viel eingebracht haben: die beste hausgemachte Eiskrem in Brooklyn, die Frage, ob Eulen als Haustiere verkauft werden sollten, und die Auswirkungen des Winterwetters auf die Anzahl der Hirschzecken in den Hamptons im kommenden Sommer. Ich legte die Mappen wieder auf den Schreibtisch und folgte den beiden.
    »Wo war sie, als ihr sie gefunden habt?«
    »Sie lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Bett. Nackt.«
    »Völlig nackt?«, fragte Mercer.
    »Ja. Ihre Klamotten lagen auf einem Haufen neben dem Bett.«
    »Hat sie sich selbst ausgezogen, oder hat er die Sachen mit dem Messer zerschnitten?«
    »Schau’s dir selbst an.« Mike deutete auf einige etikettierte braune Papiertüten, die in einer Reihe auf dem Boden lagen. »Ich habe keine Löcher gesehen. Das Labor wird die Sachen auf Blut und Sperma untersuchen.«
    Mercer ging in die Hocke, öffnete die Tüten der Reihe nach und besah sich die darin enthaltenen Kleidungsstücke.
    »Ihre Arme waren auf dem Rücken zusammengebunden. Die Füße waren ebenfalls gefesselt. Fünf Einstiche im Rücken. Ein Tranchiermesser, das einschließlich Klinge ungefähr dreißig Zentimeter lang ist. Es steckte noch in ihr, als Teddy kam.«
    »Ihr eigenes Messer?«, fragte Mercer. Es war unwahrscheinlich, dass sich unser Täter mit einem so großen Messer auf der Straße herumtrieb.
    »Es passt zu einem Satz in der Küche. Vielleicht hat er sie gesehen und gemerkt, dass ein Taschenmesser nicht ausreichen würde.« Mike sah Mercer an. »Siehst du die letzten beiden Tüten da? Die Strumpfhose. Sie ist voller Blut, Mann. Vielleicht hat er sich ja geschnitten und wir haben auch sein Blut.«
    Mercer öffnete die beiden Papiertüten. In dem feinmaschigen graubraunen Strumpf klumpte getrocknetes Blut. Ein Fußteil baumelte von Mercers Hand, unterhalb des Knotens, mit dem er Emilys Fessel verschnürt hatte.
    »Stört dich noch etwas, Mercer?« Mike kannte seinen früheren Partner gut genug, um dessen verwirrten Gesichtsausdruck zu deuten.
    Mercer reichte mir eine der Tüten. »Kleinigkeiten.«
    »Zum Beispiel?«
    »Unser Mann hat noch nie vor Mitternacht zugeschlagen. Er hat noch nie jemanden von hinten erstochen –«
    »Na und? Er hat noch nie zugestochen, bis ihm letzte Woche diese junge Schwedin Widerstand leistete. Vielleicht hat es ihm gefallen. Vielleicht hat ihn der Gedanke, das Mädchen umgebracht zu haben, noch mehr erregt.«
    »Er hatte immer sein eigenes Messer bei sich – ein kleines Klappmesser.« Mercer zählte die Unterschiede zu den Fällen vor vier Jahren auf, die er in- und auswendig kannte. »Ihre Schlüssel sollten nicht in ihrer Handtasche sein, so als hätte sie Zeit gehabt, sie wieder hineinzulegen und die Tasche zu verschließen. Sie müssten auf dem Boden oder auf einem Tisch liegen. Die Jacke müsste hier, bei den anderen Klamotten, sein.«
    »Drei, vier Jahre sind eine lange Zeit im Leben eines Perversen. Vielleicht hat er in der Zwischenzeit seinen Stil, seine ganze Vorgehensweise geändert.«
    »Da ist noch etwas.« Ich nahm das blutige Beweisstück und hob es am Zeh hoch. »Das hier ist keine Feinstrumpfhose.«
    »Womit zum Teufel hab ich mich dann all die Jahre rumgeschlagen, wenn ich einem Mädchen an die Wäsche wollte? Also ich war glatt drauf reingefallen«, sagte Mike.
    »Vielleicht solltest du es hin und wieder bei Licht und mit offenen Augen probieren«, sagte ich. »Es könnte dir gefallen.«
    »Jetzt sag schon: Was ist?«
    »Das hier sind Seidenstrümpfe. Altmodisch, teuer, schwer erhältlich und ohne Hüfthalter völlig nutzlos. Kein billiger Lycrastrumpf aus dem Supermarkt, mit dem die anderen Opfer gefesselt waren.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Dass dieser Mörder hier ein Nachahmer ist. Er hat in der Zeitung von dem Seidenstrumpfvergewaltiger gelesen, die Schlagzeilen wörtlich genommen und versucht, unseren Vergewaltiger zu imitieren, um den Mord zu vertuschen.« Ich reichte Mike den blutigen Strumpf. »Das hier sind echte Seidenstrümpfe.«

 

12
     
    »Wetten, dass man kein Sperma finden wird?«, sagte ich zu Mike, als wir um fünf Uhr morgens die Treppe in den Mannschaftsraum des neunzehnten Reviers hinaufgingen. »Das war keine Vergewaltigung.«
    Als wir das Zimmer betraten, sahen wir uns einem Dutzend ängstlicher oder grimmig dreinblickender Schwarzer gegenüber, die jeden verfügbaren Stuhl besetzten. Die Eisentür der U-Haft-Zelle stand offen, damit auch auf den dortigen Pritschen noch Männer Platz nehmen

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