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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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totales Weichei.«
    »Ja, aber es ist dein Mundwerk, das einen so unauslöschlichen Eindruck hinterlässt.«
    »Habe ich dir schon erzählt, dass mein Cousin Jean im Juni heiratet? Ich bin sein Trauzeuge. Die Braut ist ein Kerl, den er beim Fußballspielen in Irland kennen gelernt hat. Ich habe zweiundzwanzig Cousins, und wenn du auch bezweifelst, dass wenigstens fünf davon schwul sind, dann kannst du dich zu meiner Tante Bridget gesellen, die ihren Rosenkranz herunterbetet und so tut, als würde so etwas nur in anderen Familien vorkommen. Ich soll also Teddy als Verdächtigen in Betracht ziehen – ist es das, was du mir sagen willst?«
    »Kann ich reinkommen?«, fragte Teddy und steckte den Kopf zur Tür herein.
    Mike legte ihm eine Hand auf die Schulter und geleitete ihn zum Stuhl des Lieutenants. Wir setzten uns ihm gegenüber.
    Ich nahm den Deckel vom Kaffee, den ich dringend nötig hatte, und öffnete die Tüte mit den Bagels, die ich auf der Fahrt hierher gekauft hatte. Mike bat Teddy Kroon, uns etwas über sich zu erzählen.
    »Ich wurde vor achtundvierzig Jahren in Bangor, Maine, geboren. Meine Eltern –«
    »Wie wär’s, wenn wir schnell vorspulen und in der Gegenwart anfangen. Was machen Sie beruflich?«
    »Ich bin im Einzelhandel tätig, Mr Chapman. Ich habe in TriBeCa ein Geschäft für hochwertige Küchenutensilien – Töpfe, Pfannen, Tischgedecke –«
    »Tranchiermesser?«
    »Ja, Sir. Das Messer, das, äh, das Emily im Rücken steckte, habe ich ihr letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt.« Er schüttelte den Kopf und versuchte mit zitternden Händen ein Zuckertütchen zu öffnen.
    »Arbeiten Sie selbst auch in dem Laden?«
    »Sechs Tage die Woche. Meistens von acht Uhr früh bis spät nachts, um den ganzen Papierkram zu erledigen. Sonntags ist geschlossen.«
    »Welche Beziehung hatten Sie zu Emily Upshaw?«
    »Sie ist meine beste Freundin, Detective.« Teddy traten Tränen in die Augen. »Sie ist seit fast zehn Jahren meine engste Freundin gewesen.«
    »Wie haben Sie sich kennen gelernt?«
    Er zögerte. »Bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker. Vor fünfzehn Jahren.«
    »Anonyme Alkoholiker? Seit wann halten die ihre Treffen in einer Bar auf der York Avenue ab?«
    Teddy funkelte Mike wütend an. »Ich habe es nicht geschafft, Mr Chapman. Genauso wenig wie Emily. Deshalb haben wir uns ja so gut verstanden.«
    »Bitte alles der Reihe nach.«
    »Ich war damals das erste Mal bei dieser ganzen Zwölf-Schritte-Sache dabei. Wir waren eine kleine Gruppe und trafen uns zu später Stunde im Keller einer Kirche auf der Lexington Avenue, damit auch diejenigen von uns kommen konnten, die bis spät abends arbeiteten. Emily ging es damals richtig gut. Zusätzlich zu ihren Auftragsarbeiten war sie als Lektorin bei einer Frauenzeitschrift angestellt.«
    »Haben Sie sich auch außerhalb der Sitzungen getroffen?«
    »Anfangs nicht. Wir sind manchmal zusammen nach Hause gegangen. Sie war sehr intelligent, und ich hörte sie gern über ihre Arbeit sprechen. Sie hat immer interessante Leute interviewt.«
    »Sie haben sich sofort gut verstanden?«
    »Wir kannten uns erst ein paar Monate, und dann änderte sich ihr Leben total. Sie bekam ein gutes Angebot von einem Reisemagazin. Das Problem dabei war nur, dass sie so viel unterwegs war. Sie verpasste immer öfter die Treffen.«
    »Aber eine AA-Gruppe gibt es fast überall«, sagte ich.
    »Das stimmt. Aber Emily hat es einfach nicht geschafft. Sie redete sich ein, dass sie hin und wieder ein Treffen ausfallen lassen könne, aber die ständigen Reisen brachten zu viele Versuchungen mit sich. Sie litt unter Jetlag und brachte oft nicht die Kraft für ein Treffen auf. In den Hotelzimmern gab es Minibars, und sie konnte alles über Spesen abrechnen. Im Flugzeug wurden Getränke serviert. Also hatten wir eine Zeit lang keinen Kontakt mehr.«
    »Überhaupt keinen Kontakt?«
    »Nein, fast vier Jahre lang nicht. Dann hat man sie gefeuert, und sie wollte es noch einmal mit den Anonymen Alkoholikern probieren. Mein Lebensgefährte war gerade an AIDS gestorben und ich war ziemlich verzweifelt. Emily und ich halfen uns gegenseitig in unseren dunkelsten Stunden. Ab da waren wir eng befreundet.«
    »Wann sind Sie wieder rückfällig geworden?«, fragte Mike.
    »Am 12. September 2001. Eine meiner Schwestern arbeitete bei der New Yorker Hafenbehörde. Mein Geschäft ist nur sechs Blocks vom World Trade Center entfernt, und ich habe versucht dorthin zu –«
    »Das müssen Sie uns

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