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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Teppich.
    »Welchen Film haben Sie sich angesehen?«
    »Weiß nicht mehr.«
    »Wo war das Kino, in das Sie gegangen sind?«
    »Nicht weit. Broadway und Lincoln Center.«
    »Worum ging’s in dem Film?«
    »Irgend so ein Action-Film mit Jackie Chan.«
    »Yolanda, vor Gericht werden Sie der Jury in allen Einzelheiten erzählen müssen, was ab dem Zeitpunkt, da Laquon Sie angesprochen hat, passiert ist. Die Geschworenen werden sich nicht über ›Weiß nicht‹ oder ›Weiß nicht mehr‹ freuen. Geschworene und Richter stecken niemanden ins Gefängnis, wenn man ihnen nicht genau erzählen kann, was passiert ist.«
    Sie schnippte wieder angewidert mit dem Finger und verteilte neongrünen Glitzer über meinen Schreibtisch. »Es ist nicht meine Schuld, dass ich im Kino eingeschlafen bin.«
    »Laquon behauptet etwas anderes.« Wenn sie mich zum Narren halten wollte, konnte ich das auch. »Er hat dem Cop gesagt, dass Sie den Film aus einem anderen Grund nicht angeschaut haben.«
    »Warum glauben Sie alle ihm? Was hat er gesagt?«
    »Was denken Sie, dass er gesagt hat?«
    Yolanda kaute an einem Nagel. »Weiß nicht.«
    »Tun Sie mir einen Gefallen: Hören Sie auf, mit Ihrem Nagellack zu spielen, und setzen Sie sich auf Ihre Hände.« Ich wartete, bis sie ihre zerkauten Nägel unter ihre beträchtlichen Oberschenkel gesteckt hatte. »Was, wenn ich Ihnen sage, dass der Geschäftsführer des Kinos der Polizei genau das Gleiche erzählt hat wie Laquon?«
    Sie zog eine Augenbraue hoch und sah mich an. »Dann lügt er auch.« Sie blickte über die Schulter.
    »Keine Angst. Die Tür ist zu. Ihre Schwester kann uns nicht hören. Also lügen beide, wenn sie sagen, dass Sie und Laquon im Kino aneinander herumgefummelt haben – dass Sie sich geküsst haben und –«
    »So mochte ich ihn nicht.«
    »Wie mochten Sie ihn denn?«
    »Nur wie einen Freund. Einen alten Freund.«
    »Um wie viel Uhr war der Film zu Ende?«
    »Weiß nicht.«
    »Wo sind Sie nach dem Film hingegangen?«
    »Weiß nicht mehr.«
    »Sind Sie etwas essen oder trinken gegangen?«
    »Weiß ich auch nicht mehr.«
    Ryan und Stewart sahen sich an. »Wenn ich’s dir sage, Alex: Sie hat eine Totalamnesie. Sie erinnert sich an nichts mehr, bis sie in der U-Bahn waren«, sagte Ryan.
    »Was hat Laquon den Cops gesagt?«
    »Dass er nach dem Film eine Flasche Wein für acht Dollar gekauft hat. Es war zu kalt, um sich im Freien aufzuhalten, und da sich keiner von ihnen ein Hotel leisten konnte, fuhren sie mit der U-Bahn herum, tranken Wein und liebten sich – na ja, hatten Sex –, bis man sie stoppte.«
    Yolanda schien sich kein bisschen für Ryans Fakten zu interessieren. Sie tat, als würde Laquons Verhaftung sie nichts angehen.
    »Wohin wollten Sie mit der U-Bahn fahren?«, fragte ich.
    »Nach Hause. Mir war kalt, und ich war müde. Ich habe ihm gesagt, dass ich nach Hause will.«
    Ich sah auf die Strafanzeige. »Sie wohnen Uptown, Yolanda. Warum waren Sie im Zug nach Downtown?«
    Sie blickte zur Decke hinauf. »Ich bin hier das Opfer. Ich muss diese Fragen nicht beantworten.«
    »Doch, das müssen Sie. Also wann und wie sind Sie in die U-Bahn eingestiegen?«
    »Kurz bevor das passiert ist. Laquon hat mich gezwungen.«
    »Wie?«
    »Na ja, Sie wissen schon, er hat mich am Arm gepackt und die Treppe hinuntergezerrt.«
    »Auf den Bahnsteig? Waren dort keine anderen Leute?«
    »Ich hab niemanden gesehen. Als die U-Bahn kam, zog er mich in das Abteil und befahl mir, den Mund zu halten.« Sie schaukelte mit den Beinen und starrte auf ein Foto an der Wand über meinem Computer.
    »Und dann hat er sich zwischen Lincoln Center und Times Square über Sie hergemacht, kurz bevor der Cop in den Zug kam.«
    »Ja, genau so war’s.«
    »Wo ist Ihre Tasche, Yolanda?«
    Sie zeigte mir eine kleine Tasche, die sie an einem langen Riemen um den Hals trug.
    »Würden Sie sie bitte aufmachen und den Inhalt auf meinen Schreibtisch kippen?«
    »Hä?«
    Ich stand auf und griff nach der Tasche.
    »Muss ich das tun?«
    »Ja, ich habe Sie gebeten, Ihre Tasche auszuleeren.«
    »Kann ich vorher noch kurz aufs Klo?«
    »Erst wenn wir fertig sind.«
    Sie blickte Hilfe suchend zu Ryan und Stewart. Widerwillig kippte sie den Inhalt ihrer Tasche auf den Schreibtisch.
    Ich legte die drei Joints, die obenauf lagen, auf meine Handfläche und hielt sie ihr unter die Nase.
    »Scheiße«, sagte Yolanda. »Ich wette, die hat Laquon da hineingetan. Die gehören mir nicht. Ich schwör’s, ich hab nicht gewusst, dass

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