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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Jury.«
    »Dann mach ich mich jetzt auf den Weg ins Präsidium, um die Unterlagen über Emily Upshaw rauszusuchen. Ich ruf dich später an.«
    Stewart Webster arbeitete erst seit fünf Monaten in meiner Abteilung. Er wurde von einem meiner Lieblingskollegen, Ryan Blackmer, beaufsichtigt, aber vergangene Woche waren sie bei einer unkooperativen achtzehnjährigen Klägerin auf Granit gestoßen. Ich hatte sie alle drei für zehn Uhr in mein Büro bestellt.
    Ryan traf als Erster ein, um mir die Fakten zu schildern. »In dieser Angelegenheit hast du das letzte Wort. Der Fall wird Schlagzeilen machen, falls wir damit vor Gericht gehen.«
    »Warum?«
    »Yolanda – so heißt die Zeugin – behauptet, in der U-Bahn vergewaltigt worden zu sein, als sie in die Haltestelle am Times Square einfuhr.«
    Bei der Örtlichkeit war die Schlagzeile vorprogrammiert; jede U-Bahn-Benutzerin in der Stadt würde um ihre Sicherheit fürchten.
    »Aber du glaubst ihr nicht?«
    »LWG.« Das war unser inoffizieller Code für »Lügt wie gedruckt«.
    »Ihr konntet sie nicht knacken?«
    »Ihre ältere Schwester fiel uns immer wieder ins Wort. Sie war der Meinung, wir würden Yolanda zu hart anpacken. Ich habe sie rausgeschickt, aber sie platzte immer wieder ins Zimmer.«
    »Welches Motiv hätte sie zu lügen?« Hinter jeder Falschanzeige verbarg sich ein Motiv; kam man dahinter, was es war, ließ sich die Geschichte normalerweise durchschauen.
    »Vielleicht, weil sie von einem Cop der Verkehrsbetriebe geschnappt wurde. Ein Fahrgast stieg aus und meldete, dass es am Ende des Abteils zur Sache ging. Als der Cop kam, schrie Yolanda was von Vergewaltigung.«
    »Wollte er sie wegen sittenwidrigem Verhalten verhaften?«
    »Er sagt, so weit sei er erst gar nicht gekommen – sie hätte gleich losgeschrien«, sagte Ryan. »Hinzu kommt, dass ihre Schwester früher als sonst von der Arbeit nach Hause kam – so um Mitternacht herum – und Yolanda noch immer nicht zu Hause war.«
    »Was arbeitet die Schwester?«
    »Sie ist exotische Tänzerin. In der Pink Pussycat Lounge in der Varick Street. Sie finanziert damit ihr Studium.«
    »Exotisch? Da habe ich schon weniger elegante Formulierungen gehört.«
    Webster klopfte an die Tür. Ich winkte ihn herein, und er kam mit Yolanda und ihrer Schwester Wanda in mein Büro.
    »Setzen Sie sich bitte, Yolanda. Wanda, ich muss Sie bitten, im Konferenzraum Platz zu nehmen, bis ich Sie rufe.«
    »Wie lange wird das dauern? Ich habe heute Nachmittag ein Seminar«, sagte Wanda.
    »Je ehrlicher Yolanda ist, umso schneller sind wir fertig.«
    Wanda steckte in einem hautengen Kostüm, und ich wagte mir nicht vorzustellen, welches Seminar sie besuchte.
    Sie legte ihrer Schwester die Hand unters Kinn und sah ihr in die Augen. »Du erzählst der Lady jetzt die Wahrheit. Verschwende nicht unsere Zeit. Ich hab genug zu tun.«
    Die junge Schulabbrecherin behauptete, dass sie Laquon letzten Mittwoch um sechs Uhr abends vor dem Starbucks auf dem Broadway kennen gelernt hatte.
    »Worüber haben Sie sich mit Laquon unterhalten?«
    »Über nichts.«
    »Wie hat es angefangen? Was hat er zu Ihnen gesagt?«
    »Na ja, Sie wissen schon, er ist gekommen und hat gesagt, dass er mich süß findet und so.«
    »Was hatten Sie gerade gemacht, als er Sie ansprach, Yolanda?«
    »Nichts.«
    »Draußen hatte es ungefähr minus zehn Grad, und es war schon dunkel. Warum standen Sie einfach so auf der Straße?«
    »Weiß nicht mehr.« Yolanda inspizierte ihre langen Fingernägel und kratzte an dem bunten Glitzerzeug, das jedem ihrer Nägel eine andere Farbe verlieh.
    »Sehen Sie mich bitte an, wenn Sie mir antworten. Wir reden hier über Dinge, die vor nicht einmal einer Woche passiert sind. Ich gehe davon aus, dass Sie sich daran erinnern können, also geben Sie sich etwas Mühe.«
    Sie sah mich an und widmete sich dann wieder den Mustern auf ihren Nägeln. »Ich glaube, ich habe auf meinen Freund gewartet. Er hatte bald Feierabend.«
    »Arbeitet er im Starbucks?«
    »Ja.«
    »Um wie viel Uhr war seine Schicht zu Ende?«
    »Weiß nicht mehr genau. Ich glaube, um sechs, aber als er um Viertel nach sechs immer noch nicht da war, konnte ich nicht mehr warten.«
    »Warum?«
    »Wegen Laquon. Er wollte mit mir ins Kino gehen.«
    »Wie lange hatten Sie sich mit Laquon unterhalten, bevor Sie einwilligten, mit ihm ins Kino zu gehen?«
    »Ungefähr zehn Minuten. Bis ich ihn gut kannte.« Yolanda schnippte das Glitzerzeug von ihrem Schoß auf meinen

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