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Im Saal der Toten

Im Saal der Toten

Titel: Im Saal der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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Fingerabdrücken.«
    »Alles hat seine guten und schlechten Seiten. Sie schlitzte seine Jackentasche auf und ein paar Dinge fielen heraus.«
    »Führerschein?«, fragte ich und schmiegte mich in die warme Decke.
    »Das war dir doch zu einfach! Nein, kein Ausweis. Nur eine MetroCard.«
    Ich lächelte und dachte an die gestrige Zeugenvernehmung, bei der ich dank des Tickets die Zeugin geknackt hatte. »Das ist doch schon mal ein guter Anfang, Mr Wallace. Wir wissen, in welcher Ecke des Seidenstrumpfviertels er am liebsten zugange ist. Dann wollen wir mal sehen, wo er sich sonst noch herumtreibt.«

 

27
     
    Von Zeldins Büro im vierten Stock der Mertz-Bibliothek, eines herrlichen Beaux-Arts-Gebäudes, blickte man so weit das Auge reichte über schneebedeckte Landschaft.
    »Kaum vorzustellen, nicht wahr, Miss Cooper? Einhundert Hektar Gärten und Grünanlagen mitten in New York City. Äußerst ungewöhnlich, und im Winter mit dieser leichten Schneedecke ein herrlicher Anblick, hab ich nicht Recht?«
    »Ich muss zu meiner Schande gestehen, dass ich vergessen hatte, wie schön es ist und wie beeindruckend.«
    »Der Botanische Garten war die Vision eines amerikanischen Ehepaars namens Britton. Philanthropen, die sich sehr für Botanik interessierten. Die Frau war von einem Besuch der Königlichen Gärten in Kew in den 1880er Jahren ganz hingerissen und drängte ihren Mann nach ihrer Rückkehr dazu, sie in Amerika nachzubilden. Die Gärten sollten das Paradies wiedererschaffen.«
    »Der Garten Eden«, sagte Mike. »Wenn ich mich recht erinnere, fand dort auch der erste Mord statt. Also, wie steht’s mit der Mitgliederliste des Rabenvereins?«
    »Die bekommen Sie natürlich«, sagte Zeldin zu unserer Überraschung. Er zeigte auf den Raum, der voller botanischer Drucke und Bücher war. »In einer Stunde wird uns jemand abholen und in das Haus bringen, in dem sich die Vereinsunterlagen befinden. Ich habe Hobby und Beruf immer getrennt.«
    »Wie lange haben Sie hier in der Bibliothek gearbeitet?«, fragte ich.
    »Fast fünfunddreißig Jahre.«
    »Und was kam zuerst, Ihr Interesse an der Pflanzenwelt oder an Poe?«
    »Das ist wie mit der Henne und dem Ei, wenn Sie wissen, was ich meine. Ich habe mich schon immer für beides begeistert.« Er rollte zu einem Regal in der Nähe seines Schreibtisches und reichte mir ein Buch. »Meine erste Veröffentlichung, und nach wie vor ein Standardwerk auf seinem Gebiet.«
    Ich besah mir das abgegriffene Buch und schlug die Titelseite auf. »Flora und Fauna im dichterischen und erzählerischen Werk von Edgar Allan Poe – Ein illustrierter Führer.«
    »Also wenn ich ›Butterblume‹ sage, dann können Sie mir sagen, ob sie in Poes Werk vorkommt?«, fragte Mike.
    »Ganz genau, Detective. Die Butterblume, besser bekannt unter ihrem lateinischen Namen Ranunculus , kommt nur einmal vor, in der Geschichte ›Eleonora‹ – ›und mit gelben Ranunkeln übersät‹.«
    »Muss ja ein Riesenpublikum für das Zeugs geben, und unsereiner weiß nichts davon.«
    »Oder wie wär’s mit ›Eselhengst‹, Mr Chapman? Die einzige Erwähnung findet sich in ›Die Abenteuer Gordon Pyms‹. Sie wären erstaunt, wie viele Wissenschaftler sich auf so etwas verlassen. Das Buch ist in der zwölften Auflage.«
    Wie alle anderen Autoren, die ich kannte, erwähnte auch Zeldin nicht, wie hoch die Auflage war. Vermutlich eher niedrig.
    »Bei aller Bewunderung für Poes Werk«, sagte ich, »weiß ich doch herzlich wenig über sein Leben. Vielleicht wäre es hilfreich, wenn Sie uns etwas über ihn erzählen würden.«
    »Wegen Edgar Allan Poe bin ich hier«, sagte Zeldin und drehte sich wieder zu uns um.
    »Hier in New York?«, fragte Mercer.
    »Hier in der Bronx. Im Botanischen Garten.«
    »Wir wissen, dass er in Manhattan gewohnt hat«, sagte ich. Kürzlichst erworbenes Wissen, aber das Skelett hatte einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen.
    »Aber sein letztes Zuhause, Miss Cooper – der Ort, an dem er als Erwachsener am längsten gewohnt hat –, war hier in der Bronx.«
    Ich blickte zu Mike, meinem Experten für die Außenbezirke. Er schüttelte den Kopf.
    »Sie kennen das Poe Cottage nicht? Es wird Ihnen gefallen«, sagte er und erklärte, dass es noch immer an der Kingsbridge Road stand, in einem kleinen, dem Dichter gewidmeten Park. »Es ist nicht nur sein letztes Haus, sondern auch das einzige, das noch existiert. Würde man es abreißen wollen, wird jeder Schriftsteller in Amerika auf die Barrikaden

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