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Im Schatten der Akazie

Im Schatten der Akazie

Titel: Im Schatten der Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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dem hellen Schein der noch jungen Sonne, die gerade die Finsternis besiegte und ihre Macht über die Wüste breitete, trat Ramses heraus und betrachtete Kha.
    Der erstgeborene Sohn des Königs hielt den Atem an. Er wußte, daß Nefertari ihr Leben geopfert hatte, um ihn aus dem bösen Zauber eines Magiers zu erretten, und bisweilen fragte er sich, ob Ramses deshalb nicht einen gewissen Groll gegen ihn hegte.
    »Nein, Kha, ich habe dir nichts vorzuwerfen.«
    »Du liest in meinen geheimsten Gedanken!«
    »Wolltest du mich nicht sprechen?«
    »Ich dachte, du seist in Theben, und plötzlich bist du hier in den roten Bergen.«
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    »Ägypten droht große Gefahr, der ich mich stellen muß. Da war es unerläßlich, an dieser Stätte innere Einkehr zu halten.«
    »Haben wir mit den Hethitern nicht Frieden geschlossen?«,
    »Der erweist sich vielleicht nur als Waffenstillstand.«
    »Du wirst den Krieg verhindern oder ihn gewinnen … Was auch kommen mag, du wirst Ägypten vor Unheil zu schützen wissen.«
    »Möchtest du mir dabei nicht helfen?«
    »Die Kunst der Staatsführung … Nein, dafür eigne ich mich nicht. Und deine Herrschaft wird noch lange währen, wenn du die Riten unserer Vorfahren einhältst. Genau darüber wollte ich mit dir reden.«
    »Was hast du mir vorzuschlagen?«
    »Es gilt, unverzüglich dein nächstes Fest der Erneuerung vorzubereiten.«
    »Schon drei Jahre nach dem ersten?«
    »Fortan muß dieses Ritual in immer kürzeren Zeitabständen abgehalten werden. Das habe ich bei meinen Nachforschungen herausgefunden.«
    »Dann veranlasse das Nötige!«
    »Du könntest mir keine größere Freude machen, Vater. Nicht eine Gottheit wird bei den Feierlichkeiten fehlen, in den Beiden Ländern wird Jubel ausbrechen, und die Göttin Nut wird die himmlischen Gefilde mit Malachit und Türkisen übersäen.«
    »Dich beschäftigt doch noch ein Plan, Kha. Welchem Tempel hast du die Quarzitblöcke zugedacht, die du hier suchst?«
    »Seit mehreren Jahren befasse ich mich mit unseren Anfängen. Zu unseren frühen Ritualen gehörte ein Stier, der Apis genannt wurde. Er verkörperte die Fähigkeit des Königs, Zeit und Raum zu überwinden. Es wäre angebracht, dieses großartige Tier weiterhin in Ehren zu halten und ihm eine würdige Grabstätte zu gewähren … Dabei sollten wir nicht 61

    vergessen, alte Bauwerke wiederherzustellen, wie etwa gewisse Pyramiden, die unter dem Zahn der Zeit und unter den Hyksos gelitten haben. Gestehst du mir die erforderlichen Handwerker zu, um diese Arbeiten auszuführen?«
    »Suche dir selbst den Baumeister und die Steinhauer aus.«
    Khas ernstes Gesicht erhellte sich.
    »Das ist ein seltsamer Ort«, bemerkte Ramses. »Der Boden hat sich mit dem Blut Aufständischer vollgesogen. Hier hat der ewige Kampf zwischen Licht und Finsternis tiefe Spuren hinterlassen. Diese roten Berge sind eine Stätte der Macht, an die man sich nur mit Vorsicht wagen sollte. Aber du bist doch nicht zufällig hier, Kha. Welchen Schatz suchst du?«
    Der erstgeborene Sohn des Königs setzte sich auf einen bräunlichen Felsblock.
    »Das Buch des Gottes Thot. Die Schrift, die das Geheimnis der Hieroglyphen enthält. Sie befindet sich irgendwo in der Totenstadt von Sakkara, und ich werde sie aufspüren, selbst wenn es sehr lange dauern wird.«

    Im Alter von vierundfünfzig Jahren war die Herrin Tanit, eine Phönizierin mit üppigen Formen, noch eine recht schöne Frau, die die Blicke auch viel jüngerer Männer anzog. Als Witwe eines reichen, mit dem Syrer Raia befreundeten Kaufmanns hatte sie ein beachtliches Vermögen geerbt, dessen sie sich uneingeschränkt erfreute, wenn sie in ihrer prunkvollen Villa in Pi-Ramses ein Festmahl nach dem anderen gab.
    Die wohlgerundete Phönizierin war über den Tod ihres Gatten, den sie für langweilig und recht gewöhnlich gehalten hatte, alsbald hinweggekommen. Schon nach wenigen Wochen geheuchelter Trauer tröstete sie sich in den Armen eines prächtigen Nubiers mit augenscheinlichen Vorzügen. Aber sie war seiner ebenso überdrüssig geworden wie ihrer früheren Liebhaber, denn trotz aller Männlichkeit erschöpften sich deren 62

    Kräfte stets schneller als ihre eigenen, und diesen beklagenswerten Mangel an Ausdauer konnte eine so unersättliche Frau wie sie nicht verzeihen.
    Sie hätte nach Phönizien zurückkehren können, doch Ägypten gefiel ihr immer besser. Dank der unangefochtenen Macht und der Ausstrahlung des Königs hatte das Land der Pharaonen etwas

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