Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Akazie

Im Schatten der Akazie

Titel: Im Schatten der Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
Vom Netzwerk:
Paradiesisches an sich. Nirgendwo sonst stand es einer Frau so frei, zu leben, wie es ihr beliebte.
    Bei Anbruch der Dunkelheit trafen Tanits Gäste ein: reiche Ägypter, die mit ihr Geschäfte machten, hohe Beamte, die von der Phönizierin bezaubert waren, Landsleute, die nach ihrem Vermögen schielten, und ganz zu schweigen von den neuen Gesichtern, denen sich die Dame des Hauses mit besonderem Vergnügen widmete. Was gab es denn Erregenderes, als den begehrlichen Blick eines Mannes zu spüren? Tanit verstand es, sich bald liebenswürdig, bald unnahbar zu geben, und ließ denjenigen, mit dem sie sich gerade unterhielt, stets im ungewissen darüber, wohin ihre Begegnung führen mochte.
    Unter allen Umständen bestimmte sie den Verlauf der Dinge, und sie traf auch die Entscheidung. Versuchte ein Mann, ihr überlegen zu sein, hatte er keine Aussicht, sie zu erobern.
    Wie in ihrem Hause üblich, waren die Speisen, die gereicht wurden, sehr schmackhaft, insbesondere der in einer Biersoße geschmorte Hasenrücken mit Eierfrüchten, und die Weine waren bemerkenswert. Dank ihrer guten Beziehungen zum Palast hatte Tanit sich sogar einige Krüge mit rotem Wein aus dem Delta verschaffen können, der aus dem Jahr einundzwanzig der Herrschaft von Ramses stammte, aus dem Jahr, in dem der Friedensvertrag mit den Hethitern geschlossen wurde. Und ebenso wie üblich ließ die Phönizierin ihren lüsternen Blick über die am besten aussehenden Männer schweifen, auf der Suche nach künftiger Beute.
    »Wie geht es dir, erhabene Freundin?«
    63

    »Raia, welche Freude, dich wiederzusehen! Mir geht es ausgezeichnet.«
    »Wenn ich nicht befürchtete, für einen Schmeichler gehalten zu werden, würde ich sagen, daß du unablässig schöner wirst.«
    »Das Klima bekommt mir. Und der Schmerz über den Verlust meines Gemahls beginnt allmählich zu verblassen.«
    »Zum Glück ist das der Lauf der Natur. Eine Frau wie du ist nicht dafür gemacht, einsam zu sein.«
    »Die Männer sind Lügner und ohne Gefühl, ich muß mich vorsehen.«
    »Du hast recht, wenn du Vorsicht walten läßt, aber ich bin überzeugt, daß das Schicksal dir neues Glück bescheren wird.«
    »Und wie steht es um deine Geschäfte?«
    »Sie erfordern Arbeit, viel Arbeit … Um Fleisch so einzupökeln, daß es die Ansprüche meiner verwöhnten Kunden zufriedenstellt, brauche ich Gehilfen mit großer Sachkenntnis, und die verlangen hohe Löhne. Und was die fremdländischen Vasen betrifft, die von den Vornehmen so geschätzt werden, da muß ich lange verhandeln und viel reisen, bis ich sie einführen kann. Echte Kunstwerke sind auch nicht billig. Weil ich aber für erlesene Waren bekannt bin, muß ich ständig im voraus viel Geld aufbringen. Deshalb werde ich wohl nie reich.«
    »Das Glück war dir dennoch hold … Ich glaube, all dein Ungemach ist endlich vorüber.«
    »Man hat mich zu Unrecht enger Beziehungen zu den Hethitern beschuldigt. Dabei habe ich mit ihnen nur Handel getrieben, ohne mich um Politik zu kümmern. Mittlerweile hat der Frieden indes auch diese alten Zwistigkeiten ausgeräumt.
    Jetzt wird die Zusammenarbeit mit unseren fremdländischen Brüdern sogar gefördert. Ist das nicht Ramses’ schönster Sieg?«
    »Der Pharao ist so verführerisch … Schade, daß er 64

    unerreichbar ist.«
    Der Frieden, der zwischen Ramses und Hattuschili geschlossene Vertrag, der verlorengegangene Eroberungswille der Hethiter, das triumphierende Ägypten … Raia ertrug diese niederschmetternde, von Feigheit und Abtrünnigkeit ausgelöste Entwicklung nicht mehr. Er hatte sich für die Oberhoheit der hethitischen Armee im ganzen Vorderen Orient eingesetzt, und er dachte nicht daran, diesem Kampf zu entsagen.
    »Darf ich dir einen Freund vorstellen?« fragte er Tanit, deren Neugierde sogleich erwachte.
    »Wer ist es?«
    »Ein hethitischer Prinz, der sich in Ägypten aufhält. Er hat schon viel von dir gehört, ist aber ein eher scheuer Mann. Ich mußte ihm lange zureden, bis er bereit war, an diesem Festmahl teilzunehmen, weil ihm Geselligkeiten angst machen.«
    »Zeig ihn mir!«
    »Du siehst ihn da drüben, neben den Lorbeersträuchern.«
    Uriteschup stand genau im Schein einer Öllampe, ein wenig, abseits der übrigen Gäste, die in Grüppchen Belanglosigkeiten austauschten. Das flackernde Licht ließ seine Gesichtszüge erkennen, beleuchtete die wallende Mähne, die rot behaarte Brust und überglänzte seine kräftigen Muskeln.
    Tanit verschlug es vor Erregung die Sprache.

Weitere Kostenlose Bücher