Im Schatten der Akazie
blickenden Augen sowie mit einer langen, schmalen, leicht gebogenen Nase und runden, schön geformten Ohren. Er strahlte große Anziehungskraft, Stärke und natürliche Autorität aus. In seiner Gegenwart verloren sogar die unerschrockensten Gemüter die Fassung. Wurde dieser Pharao, der das Land mit Tempeln und Kultstätten übersät und alle seine Feinde unterworfen hatte, nicht von einem Gott beseelt?
Dreiunddreißig Jahre Herrschaft … Allein Ramses wußte, wie schwer die erduldeten Prüfungen wirklich auf ihm lasteten.
Begonnen hatten sie mit dem Tod seines Vaters Sethos, nach dem er sich vollkommen ratlos gefühlt hatte, und das just zu einer Zeit, da die Hethiter sich anschickten, gegen Ägypten Krieg zu führen. Ohne die Hilfe Amuns, seines himmlischen Vaters, wäre Ramses – von den eigenen Truppen im Stich gelassen – bei Kadesch geschlagen worden. Gewiß, er hatte auch Glück und Frieden erlebt, aber mittlerweile war seine 13
Mutter, Tuja, das Inbild rechtmäßiger Macht, ihrem erlauchten Gemahl in die Gefilde des Lichts nachgefolgt, in denen die Seelen der Gerechtfertigten ewig fortlebten. Und dann hatte das unerbittliche Schicksal erneut zugeschlagen, auf die furchtbarste Weise: Die Große königliche Gemahlin, Nefertari, war in seinen Armen gestorben, in Abu Simbel, im Herzen Nubiens, wo Ramses zum Ruhme der unzerstörbaren Einheit des Herrscherpaares zwei Tempel hatte errichten lassen.
So hatte der Pharao die drei Menschen verloren, die ihm die teuersten gewesen waren, die drei Menschen, die ihn mit ihrer grenzenlosen Liebe geprägt hatten. Dennoch mußte er weiterhin regieren und Ägypten mit gleichem Glauben, mit gleicher Inbrunst verkörpern.
Noch vier Gefährten hatten ihn nach vielen gemeinsam errungenen Siegen verlassen: seine zwei Pferde, die auf dem Schlachtfeld stets so tapfer gewesen waren, dann sein nubischer Löwe, der ihm mehr als einmal das Leben gerettet hatte, und Wächter, sein erster goldgelber Hund, dem eine Einbalsamierung erlesenster Art zuteil geworden und ein zweiter Wächter gefolgt war. Nach diesem würde es einen dritten geben, der bereits vor kurzem zur Welt gekommen war.
Dahingegangen war auch der griechische Poet Homer. Er hatte seine Tage sinnend unter dem Zitronenbaum in seinem Garten beschlossen. Voller Wehmut dachte Ramses an die Gespräche mit dem Dichter der Ilias und der Odyssee zurück, der so für das Pharaonentum geschwärmt hatte.
Nach Nefertaris Tod war Ramses versucht gewesen, der Macht zu entsagen und sie seinem erstgeborenen Sohn Kha zu übergeben, doch der Kreis seiner Freunde hatte sich dem widersetzt und ihm in Erinnerung gerufen, daß er Pharao auf Lebenszeit war und nicht mehr sich selbst gehörte. Wie sehr er als Mensch auch leiden mochte, er mußte seine Pflicht erfüllen.
So gebot es die göttliche Regel, und Ramses würde sich ihr fügen wie seine Vorgänger.
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Hier, im Tempel der Millionen Jahre, dem Quell der Magie, die seine Herrschaft beschützte, hier hatte Ramses die Kraft geschöpft, deren er bedurfte, um das Werk fortzusetzen.
Obgleich ihn eine wichtige Zeremonie erwartete, hielt er sich über Gebühr im Ramesseum auf. Innerhalb der sechshundert Ellen langen Umfassungsmauer lagen die zwei großen Höfe mit den Pfeilern, die den König als Osiris darstellten, dann ein sechzig Ellen tiefer und achtzig Ellen breiter Saal mit achtundvierzig Säulen, mehrere Kapellen sowie das Allerheiligste, die Wohnung des Gottes. Den Eingang in die Tempelanlage bildete ein gewaltiger Pylon, dessen Inschriften besagten, daß er bis in den Himmel reiche. An der Südseite des ersten Innenhofes stand der Palast, und rund um die heilige Stätte gruppierten sich eine große Bibliothek, Vorratsräume, ein Schatzhaus für edle Metalle, die Amtsstuben der Schreiber und die Wohnhäuser der Priester. In dieser Tempelstadt wurde Tag und Nacht gearbeitet, denn der Dienst an den Göttern kannte keine Ruhepausen.
Zu kurz schien Ramses die Zeit, die er in jenem Teil des Heiligtums verweilen konnte, der seiner Gemahlin Nefertari und seiner Mutter, Tuja, geweiht war. Er betrachtete die Flachreliefs, Darstellungen der Königin, des verborgenen und zugleich leuchtenden Gottes Amun-Re und einer himmlischen Kuh, die den Pharao säugte und ihm auf diese Weise immerwährende Jugend bescherte.
Im Palast dürfte man allmählich die Geduld verlieren. Der Herr der Beiden Länder riß sich von seinen Erinnerungen los, blieb weder vor der fünfunddreißig Ellen hohen
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