Im Schatten der Akazie
Trauer.
»Du wirst doch wenigstens den Mut aufbringen, mir die Wahrheit zu sagen!«
»Acha ist tot, Majestät.«
Ramses verzog keine Miene.
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»Unter welchen Umständen starb er?«
»Sein Geleitzug wurde überfallen. Ein Hirte fand die Toten und benachrichtigte die kanaanäischen Ordnungskräfte. Sie begaben sich an Ort und Stelle, und einer von ihnen erkannte Acha.«
»Wurde festgestellt, daß es sich bei dem Leichnam ohne jedweden Zweifel um Acha handelt?«
»Ja, Majestät.«
»Wo befindet er sich?«
»In einer Festung, zusammen mit den anderen Opfern.«
»Hat keiner überlebt?«
»Nein.«
»Gibt es Zeugen?«
»Keinen einzigen.«
»Serramanna soll die Stätte des Geschehens aufs genaueste untersuchen, selbst nach dem geringsten Hinweis Ausschau halten und Achas sterbliche Überreste sowie die seiner Weggefährten hierherholen. Sie werden auf ägyptischem Boden bestattet.«
Der sardische Riese und ein kleiner Trupp Söldner hatten mehrere Pferde zuschanden geritten, um so schnell wie möglich die Festung zu erreichen und ebenso ungesäumt wieder zurückzukehren. Gleich nach der Ankunft in Pi-Ramses hatte Serramanna Achas Leichnam einem Einbalsamierer übergeben, der ihn wusch, parfümierte und schminkte, ehe er zum Pharao gebracht wurde. Ramses hatte den Freund auf seine Arme genommen und auf ein Ruhebett in einem Gemach des Palastes gelegt.
Achas Antlitz strahlte heitere Ruhe aus. In ein weißes Leichentuch gehüllt, schien der Oberste Gesandte Ägyptens zu schlafen.
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Ramses stand vor ihm, zwischen Ameni und Setaou.
»Wer hat ihn getötet?« fragte Setaou, dessen Augen noch anzusehen war, daß er geweint hatte.
»Wir werden es erfahren«, versprach der König. »Ich erwarte Serramannas Bericht.«
»Sein Haus für die Ewigkeit ist vollendet«, erklärte Ameni.
»Die Menschen sagen ihm Gutes nach, und die Götter werden ihm neues Leben schenken.«
»Mein Sohn Kha wird das Beisetzungsritual leiten und die seit alters überlieferten Worte der Wiedererweckung sprechen.
Was im Diesseits entstand, währt im Jenseits fort; Achas Treue zu Ägypten wird ihn vor den Gefahren der anderen Welt beschützen.«
»Ich will seinen Mörder mit eigenen Händen töten«, beteuerte Setaou. »Dieser Gedanke wird mich von nun an nicht mehr loslassen.«
Serramanna betrat das Gemach.
»Was hast du herausgefunden?« fragte der Herrscher.
»Acha wurde von einem Pfeil getroffen, der in das rechte Schulterblatt eindrang, doch diese Verletzung hätte er überleben können. Das ist die Waffe, mit der er wirklich getötet wurde.«
Der ehemalige Seeräuber überreichte dem Pharao den Dolch.
»Aus Eisen!« rief Ameni. »Das unheimliche Geschenk des Königs von Hatti! Das ist also seine Botschaft: der Mord an Ägyptens Oberstem Gesandtem, einem engen Freund von Ramses!«
Serramanna hatte Ameni noch nie so wütend gesehen.
»Dann wissen wir also, wer hinter diesem Anschlag steckt«, schloß Setaou in scharfem Ton. »Hattuschili kann sich in seiner Burg verstecken, soviel er will, ich werde ihn schon finden und seinen Kadaver von der Stadtmauer stürzen!«
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»Da habe ich meine Bedenken«, wandte der Sarde ein.
»Du täuschst dich, ich werde es schaffen!«
»Ich rede nicht von deinem Wunsch, Rache zu nehmen, Setaou, sondern davon, wer diesen Mord wirklich ausgeheckt oder begangen hat.«
»Ist das nicht ein hethitischer Dolch?«
»Doch, das stimmt schon, aber ich habe noch einen anderen Hinweis gefunden.«
Serramanna brachte eine abgebrochene Feder zum Vorschein.
»Die stammt vom Kriegsschmuck eines Libyers.«
»Libyer als Verbündete der Hethiter … Das ist unmöglich.«
»Wenn sich die Kräfte des Bösen zusammenschließen, ist nichts unmöglich«, befand Ameni. »Die Sache ist doch klar: Hattuschili hat sich für die Machtprobe entschieden. Wie seine Vorgänger träumt auch er nur davon, Ägypten zu zerstören, und dazu würde er sich sogar mit den Dämonen der Unterwelt verbünden.«
»Da ist aber noch etwas, was wir berücksichtigen sollten«, meinte Serramanna. »Die Karawane bestand nur aus einer kleinen Anzahl von Reisenden. Die Angreifer dürften etwa ihrer vierzig gewesen sein, höchstens fünfzig. Das läßt eher auf eine Horde von Plünderern und einen Hinterhalt schließen und nicht auf Truppen einer rechtmäßigen Armee.«
»Das ist nur deine Auslegung«, entgegnete Ameni.
»Nein, die Wirklichkeit. Wenn man sich die Stelle genau besieht, den schmalen Weg und die Spuren, die sie
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