Im Schatten der Akazie
getragene Vertrauen der Menschen.
Indem sie aus ihrem sicheren Hort ausgebrochen war, hatte Iset das Volk kennengelernt, dessen Königin sie war.
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Während des abendlichen Mahls, zu dem die Vorsteher der Provinzen geladen waren, kündigte ihnen Ramses den alsbaldigen Feldzug an. Allen fiel auf, wie strahlend Iset die Schöne aussah. Obwohl sie Nefertari nicht gleichkam, erwies sie sich doch ihres Amtes zunehmend als würdig und flößte den alten Höflingen Achtung ein.
Für den einen oder anderen fand sie tröstende Worte: Ägypten habe von Hatti nichts zu befürchten und würde dank des Pharaos die Prüfung bestehen. Die Vorsteher der Provinzen waren für die Ansichten der Königin sehr empfänglich.
Als Ramses und Iset endlich allein auf der Terrasse standen, drückte er sie zärtlich an sich.
»Du hast deinem Rang alle Ehre gemacht, Iset.«
»Bist du endlich stolz auf mich?«
»Ich habe dich zur Großen königlichen Gemahlin erwählt und mich nicht in dir getäuscht.«
»Sind die Verhandlungen mit Hatti endgültig abgebrochen?«
»Wir sind bereit zu kämpfen.«
»Was auch geschehen mag, du wirst Sieger sein.«
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ZWANZIG
HA VERHEHLTE SEINE Angst nicht.
K »Krieg … Weshalb sollen wir Krieg führen?«
»Um Ägypten zu retten und dir Gelegenheit zu geben, das Buch der Weisheit zu finden«, antwortete Ramses.
»Ist es wirklich nicht möglich, mit Hatti zu einem Einvernehmen zu gelangen?«
»Die hethitischen Truppen nähern sich bereits den Provinzen, die unter unserem Einfluß stehen. Es ist an der Zeit, daß wir Vorkehrungen treffen. Ich rücke mit Merenptah aus und vertraue dir die Verwaltung des Königreiches an.«
»Vater! Ich bin nicht befähigt, dich zu ersetzen, nicht einmal für kurze Zeit.«
»Du irrst, Kha. Mit Amenis Hilfe wirst du die Aufgabe bewältigen, mit der ich dich betraue.«
»Und … wenn ich Fehler begehe?«
»Laß dir vordringlich das Glück des Volkes angelegen sein, dann wirst du sie vermeiden.«
Ramses bestieg seinen Streitwagen, den er selbst lenkte. Er gedachte die Truppen anzuführen, die er an strategisch wichtigen Punkten des Deltas und der nordöstlichen Grenze Stellung beziehen lassen wollte. Im Wagen hinter ihm stand Merenptah, dem die Befehlshaber der vier Heereseinheiten folgten.
Gerade als sich der König anschickte, das Zeichen zum Aufbruch zu geben, preschte ein Reiter in den Hof der Kaserne.
Serramanna sprang vom Pferd und lief auf Ramses’ Wagen zu.
»Majestät, ich muß dich sprechen!«
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Der Pharao hatte dem Sarden befohlen, während seiner Abwesenheit für die Sicherheit des Palastes Sorge zu tragen. Er war sich zwar dessen bewußt, daß er den Hünen enttäuschte, der so begierig darauf war, Hethiter niederzumetzeln, aber wen hätte er sonst dazu ausersehen sollen, über Kha und Iset die Schöne zu wachen?
»Ich werde meine Entscheidung nicht rückgängig machen, Serramanna, du bleibst in Pi-Ramses.«
»Es geht nicht um mich, Majestät. Komm mit mir, ich flehe dich an!«
Der Sarde schien völlig verstört zu sein.
»Was ist geschehen?«
»Komm mit, Majestät, komm …«
Ramses bat Merenptah, den Heerführern kundzutun, daß sich der Aufbruch verzögerte.
Der Wagen des Pharaos folgte Serramannas Pferd, das den Weg zum Palast einschlug.
Die Kammerfrau, die Wäschebeschließerin und die Dienerinnen kauerten weinend in den Gängen.
Vor dem Gemach Isets der Schönen blieb Serramanna stehen.
Der Blick des Sarden spiegelte Verwunderung und Bestürzung wider.
Ramses trat ein.
Betäubender Lilienduft erfüllte den von der Mittagssonne erhellten Raum. In einem weißen Festtagskleid und mit einem Diadem aus Türkisen im Haar ruhte die Königin auf ihrem Bett, die Arme dicht an den Körper gelegt und die Augen weit geöffnet.
Auf einem Tischchen aus Sykomorenholz lag ein Gewand aus Antilopenleder: Setaous Gewand, das sie in der Forschungsstätte gestohlen hatte.
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»Iset …«
Iset die Schöne, Ramses’ erste Liebe, die Mutter seiner Söhne Kha und Merenptah, die Große königliche Gemahlin, um derentwillen er im Begriff stand, in die Schlacht zu ziehen …
Iset die Schöne betrachtete die andere Welt.
»Die Königin hat den Tod gewählt, um den Krieg abzuwenden«, erklärte Serramanna. »Sie hat sich mit den Mitteln aus Setaous Gewand vergiftet, damit sie dem Frieden nicht mehr im Weg steht.«
»Du redest Unsinn, Serramanna.«
»Nein, Majestät«, mischte sich Ameni ein. »Iset die Schöne hat eine Botschaft
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