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Im Schatten der Akazie

Im Schatten der Akazie

Titel: Im Schatten der Akazie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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hinterlassen. Ich habe sie gelesen und Serramanna gebeten, dich zu holen.«
    Wie es von jeher den Gepflogenheiten entsprach, schloß Ramses die Lider der Dahingeschiedenen nicht. Man mußte dem Jenseits mit offenen Augen begegnen.
    Im Tal der Königinnen beigesetzt, ruhte Iset die Schöne in einem bescheideneren Grab als Nefertari. Ramses hatte selbst das Ritual der Wiedererweckung vollzogen. Den Kult für ihren Ka sollte fortan eine Gemeinschaft aus Priestern und Priesterinnen verse• hen, denen es oblag, ihr Andenken lebendig zu erhalten.
    Auf den Sarkophag seiner Großen königlichen Gemahlin hatte der Pharao einen Zweig jener Sykomore gelegt, die er im Alter von siebzehn Jahren im Garten ihrer Villa in Memphis gepflanzt hatte. Diese Erinnerung an die Jugend würde Isets Seele wieder ergrünen lassen.
    Nach der Zeremonie hatten Ameni und Setaou den König um Audienz gebeten. Ohne ihnen zu antworten, war Ramses auf einen Hügel hinaufgestiegen. Setaou war ihm nachgeeilt, und trotz der Anstrengung, die er damit seinem schwächlichen Körper auferlegte, hatte Ameni es ihm gleichgetan.
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    Der Sand, der steinige Abhang, Ramses’ schneller Schritt …
    Des Schreibers Lunge brannte wie Feuer, er schimpfte auf dem ganzen Weg, gelangte aber doch nach oben, wo der Herr der Beiden Länder wortlos seinen Blick über das Tal der Königinnen schweifen ließ, über Nefertaris und Isets Häuser für die Ewigkeit.
    Setaou wahrte das Schweigen, um sich ganz der überwältigenden Landschaft hinzugeben, die sich ihm darbot.
    Völlig außer Atem setzte sich Ameni auf einen Steinblock und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn.
    Dann wagte er, die Meditation des Königs zu stören.
    »Majestät, es müssen dringende Entscheidungen getroffen werden.«
    »Nichts ist dringender, als über das von den Göttern geliebte Land nachzusinnen. Sie haben gesprochen, und ihre Stimme wurde zu Himmel, Bergen, Wasser und Erde. Aus der roten Erde des Seth haben wir die Grabstätten gehöhlt, deren Kammern der Wiedererweckung der Urozean umspült, der die Welt umgibt. Durch unsere Riten bewahren wir die Kraft des ersten Morgens, und unser Land erwacht jeden Tag zu neuem Leben. Der Rest ist nicht der Rede wert.«
    »Um zu neuem Leben erwachen zu können, gilt es erst einmal zu überleben. Wenn der Pharao die Menschen vergißt, ziehen sich die Götter nämlich für immer ins Unsichtbare zurück.«
    Setaou rechnete damit, daß Amenis mißbilligender Ton ihm eine scharfe Erwiderung des Königs eintragen würde, doch Ramses blickte nur unverwandt auf die harte Trennungslinie zwischen Fruchtland und Wüste, zwischen Vergänglichem und Ewigem.
    »Welche Tücke hast du dir wieder ausgedacht, Ameni?«
    »Ich habe an König Hattuschili geschrieben, um ihm das Ableben Isets der Schönen kundzutun. Während der Trauerzeit 147

    kann keine Rede davon sein, einen Krieg anzufangen.«
    »Niemand hätte Iset retten können«, erklärte Setaou. »Sie nahm zu viele verschiedene Mittel ein, deren Mischung tödlich wirkte. Ich habe dieses verfluchte Gewand inzwischen verbrannt, Ramses.«
    »Dich trifft keine Schuld. Iset glaubte, zum Wohle Ägyptens zu handeln.«
    Ameni stand auf.
    »Sie hat recht gehabt, Majestät.«
    Erzürnt wandte sich der König um.
    »Wie wagst du es, so zu sprechen, Ameni?«
    »Ich fürchte zwar deinen Grimm, aber mir liegt daran, dich meine Meinung wissen zu lassen: Iset hat diese Welt verlassen, um den Frieden zu retten.«
    »Und was denkst du darüber, Setaou?«
    Wie Ameni scheute sich auch Setaou vor Ramses’
    flammendem Blick. Er war es sich allerdings schuldig, aufrichtig zu sein.
    »Falls du dich weigerst, Isets Botschaft zu verstehen, Ramses, dann tötest du sie ein zweites Mal. Sorge dafür, daß ihr Opfer nicht vergebens war.«
    »Und wie?«
    »Heirate die hethitische Prinzessin«, erklärte Ameni ernst.
    »Jetzt steht dem nichts mehr entgegen«, fügte Setaou hinzu.
    Ramses ballte die Fäuste.
    »Sind eure Herzen so hart wie Granit? Kaum daß Iset in ihrem Sarkophag ruht, da erdreistet ihr euch, von einer Heirat zu reden!«
    »Du bist nicht irgendein Witwer, der seine Frau beweint«, wandte Setaou ein, »sondern der Pharao Ägyptens, der den Frieden bewahren und sein Volk retten muß. Und das schert 148

    sich nicht um deine Gefühle, um deine Freude oder deine Trauer; es begehrt allein, daß es regiert und auf dem rechten Weg geführt wird.«
    »Ein Pharao mit einer hethitischen Großen Gemahlin … Ist das nicht

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