Im Schatten der Akazie
seine Werkstatt betrat.
Serramanna, der Vorsteher der Leibwache des Königs … Der Kneif glitt über das Leder, wich von der vorgesehenen Linie ab und ritzte den linken Mittelfinger des Handwerkers, dem ein Schmerzensschrei entfuhr. Blut quoll aus der Wunde.
Teschonk wies einen seiner Gehilfen an, das Leder zu säubern, während er die Verletzung auswusch, ehe er sie mit Honig bestrich.
Regungslos sah der sardische Riese dem Geschehen zu.
Schließlich verneigte sich Teschonk vor ihm.
»Vergib mir, Herr, daß ich dich habe warten lassen … Ein 166
dummer Unfall.«
»Seltsam … Es heißt doch, du hast eine sehr sichere Hand.«
Teschonk bebte vor Angst. Er, ein Nachfahre libyscher Krieger, hätte den Gegner mit einem einzigen Blick vernichten sollen, aber Serramanna war Söldner, Sarde und ein Koloß.
»Möchtest du meine Dienste in Anspruch nehmen, Hoher Herr?«
»Ich brauche ein Stützband aus vorzüglichem Leder für mein Handgelenk. Wenn ich die Axt schwinge, spüre ich in letzter Zeit einen leichten Schmerz.«
»Ich zeige dir mehrere, und du suchst dir eins aus.«
»Die stärksten verbirgst du bestimmt in dem Raum dahinten, davon bin ich überzeugt.«
»Nein, ich …«
»Aber, aber, Teschonk! Ich sage dir doch, daß ich mir da ganz sicher bin!«
»Nun ja, eins fällt mir ein.«
»Also, dann gehen wir da hin!«
Teschonk brach der Schweiß aus, in großen Tropfen. Was hatte Serramanna herausgefunden? Nichts, er konnte nichts wissen. Der Libyer mußte sich wieder fassen, durfte keine Furcht erkennen lassen, die jedweder Grundlage entbehrte.
Ägypten war ein Staat, in dem das Recht geachtet wurde; der Sarde wagte es sicher nicht, Gewalt anzuwenden, weil er befürchten mußte, daß ihn ein Gericht dafür streng bestrafen würde.
Teschonk schritt ihm voran in den kleinen Raum, in dem er die Meisterwerke aufbewahrte, die er eigentlich nicht zu verkaufen gedachte. Unter ihnen befand sich ein prächtiges Stützband aus rotem Leder.
»Willst du mich bestechen, Teschonk?«
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»Nein, gewiß nicht!«
»Ein Stück von solchem Wert … Das ist eines Königs würdig.«
»Du erweist mir zuviel der Ehre, Hoher Herr.«
»Du bist ein hervorragender Handwerker, Teschonk. Deine Laufbahn ist glänzend, deine Kundschaft bemerkenswert, deine Zukunft vielversprechend … Wie schade!«
Der Libyer erbleichte.
»Ich verstehe nicht …«
»Weshalb irrst du vom rechten Weg ab, wenn dir doch das Leben so wohlwill?«
»Vom rechten Weg abirren? Ich …«
Serramanna betastete einen herrlichen Schild aus braunem Leder, der einem Oberbefehlshaber Ehre gemacht hätte.
»Es tut mir sehr leid, Teschonk, aber du läufst Gefahr, dir großen Verdruß einzuhandeln.«
»Ich … Aber weshalb?«
»Erkennst du diesen Gegenstand wieder?«
Er zeigte dem Handwerker eine lederne Hülle, die zum Aufbewahren einer Papyrusrolle diente.
»Die stammt doch aus deiner Werkstatt, nicht wahr?«
»Ja, aber …«
»Ja oder nein?«
»Ja, das bestreite ich nicht.«
»Für wen war sie bestimmt?«
»Für einen Ritualpriester, den Bewahrer der Geheimnisse des Tempels.«
Der Sarde lächelte.
»Du bist ein aufrichtiger und redlicher Mann, Teschonk, dessen war ich mir sicher.«
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»Ich habe nichts zu verbergen, Hoher Herr!«
»Gleichwohl hast du einen schweren Fehler begangen.«
»Was für einen?«
»Daß du diese Hülle zur Beförderung einer umstürzlerischen Botschaft benutzt hast.«
Dem Libyer blieb die Luft weg. Seine Zunge schwoll ihm im Mund an, und hinter seinen Schläfen begann es zu schmerzen.
»Das ist … das ist …«
»Da ist dir ein Versehen unterlaufen«, erklärte Serramanna.
»Der Ritualpriester war sehr verwundert, als er in dieser Hülle einen Aufruf an die Libyer in Ägypten fand, der ihnen unverhohlen befiehlt, sich auf einen bewaffneten Aufstand gegen Ramses vorzubereiten.«
»Nein, nein … Das ist unmöglich!«
»Diese Hülle kommt aus deiner Werkstatt, Teschonk, und du hast diese Botschaft verfaßt.«
»Nein, Hoher Herr, bei allen Göttern, das stimmt nicht!«
»Mir gefällt deine Arbeit, Teschonk, aber du hättest dich nicht an einer Verschwörung beteiligen dürfen, der du nicht gewachsen bist. In deinem Alter und in deiner Lage ist das ein unverzeihlicher Fehler. Du hast nichts zu gewinnen und alles zu verlieren. Welche Torheit ist über dich gekommen?«
»Hoher Herr, ich …«
»Leiste keine falschen Schwüre, sonst wirst du vom Gericht des Jenseits dafür verurteilt. Du hast den
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