Im Schatten der Akazie
verkehrten Weg eingeschlagen, mein Freund, aber ich will gern glauben, daß du getäuscht worden bist. Wir haben alle irgendwann Augenblicke, in denen es uns an Scharfsinn mangelt.«
»Das ist ein Mißverständnis, ich …«
»Verschwende deine Zeit nicht mit Lügen, Teschonk! Meine Männer beobachten dich seit langem und wissen, daß du 169
aufständische Libyer beschützt.«
»Das sind keine Aufständischen, Hoher Herr, sondern Menschen, die in irgendwelche Nöte geraten sind und denen ein Landsmann zu helfen versucht … Ist das nicht natürlich?«
»Verharmlose deine Rolle nicht! Ohne dich könnte sich kein geheimes Netz bilden.«
»Ich bin ein ehrbarer Handwerker, ich …«
»Sagen wir es deutlich: Ich besitze einen Beweis gegen dich, der dich in den Tod schickt oder, im günstigsten Fall, zu lebenslanger Zwangsarbeit. Ich brauche dem Wesir nur diese Botschaft zu bringen, und er gibt mir den Befehl, dich ins Gefängnis zu stecken. Dann steht dir eine mustergültige Gerichtsverhandlung bevor und eine deinem Vergehen angemessene Bestrafung.«
»Aber … ich bin unschuldig!«
»Gib dir keine Mühe, Teschonk, mir machst du nichts vor!
Bei einem solchen Beweis werden die Richter nicht lange überlegen. Du hast keine Aussicht, unbeschadet davonzukommen. Nicht die geringste, wenn ich dir nicht beistehe.«
Bedrückende Stille senkte sich über den kleinen Raum, in dem der Libyer seine schönsten Stücke aufbewahrte.
»Was meinst du damit, Hoher Herr?«
Serramanna betastete aufs neue den lederbezogenen Schild.
»Welches Amt er auch bekleiden mag, jeder Mann hat ungestillte Sehnsüchte; ich ebenso wie alle anderen. Ich werde zwar gut entlohnt, bewohne ein angenehmes Haus, das mir der Staat zur Verfügung stellt, und kann so viele Frauen haben, wie ich möchte, aber ich wäre gern reicher, damit ich mir keine Sorgen um mein Alter zu machen brauche. Ich könnte ja schweigen und diesen Beweis vergessen … Aber alles hat seinen Preis, Teschonk.«
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»Einen … hohen Preis?«
»Vergiß nicht, daß ich auch den Bewahrer der Geheimnisse dazu bringen müßte, daß er schweigt. Ein angemessener Anteil an deinem Gewinn würde mich zufriedenstellen.«
»Falls wir einig werden, läßt du mich dann in Ruhe?«
»Meine Arbeit muß ich trotzdem verrichten, Freund.«
»Was verlangst du?«
»Die Namen der Libyer, die Acha ermordet haben.«
»Hoher Herr … Die weiß ich nicht!«
»Wenn du sie wirklich nicht weißt, dann findest du sie eben bald heraus. Werde mein Kundschafter, Teschonk, du sollst es nicht bereuen.«
»Und falls es mir nicht gelingt, dich zufriedenzustellen?«
»Das wäre sehr schade, mein Freund … Aber ich bin überzeugt, daß du dieses drohende Unheil abwehren wirst. In amtlicher Eigenschaft bestelle ich bei dir einhundert Schilde und Scheiden für die Schwerter meiner Männer. Sobald du in den Palast kommst, bitte darum, daß man dich zu mir führt.«
Serramanna stapfte aus der Werkstatt und ließ einen ratlosen Teschonk zurück. Ameni hatte den Sarden überredet, vorzugeben, er sei käuflich und bereit, seinen König zu hintergehen, um sich zu bereichern. Falls Teschonk auf den Köder anbiß, hätte er weniger Angst zu reden und würde Serramanna auf die richtige Fährte setzen.
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VIERUNDZWANZIG
N DIESEM JAHR, dem dreiunddreißigsten der Herrschaft R
I amses’ des Großen, erwies sich der thebanische Winter, der zuweilen eiskalte Winde mit sich brachte, als mild.
Wolkenlos spannte sich ein blauer Himmel. Der Nil floß ruhig dahin, und an seinen Ufern grünte nach einer ausgiebigen Überschwemmung das Fruchtland. Schwerbeladene Esel trotteten von Dorf zu Dorf, Kühe mit prallen Eutern wurden von Hirten und Hunden auf die Weide getrieben, und vor den Türen der weißen Häuser spielten kleine Mädchen mit Puppen, während die Jungen einem Stoffball nachliefen … Ägypten lebte in seinem ewig gleichen Rhythmus, als ob sich nie etwas ändern sollte.
Ramses kostete diesen Augenblick der Stille inmitten des Alltags aus. Wie recht seine Vorfahren gehabt hatten, als sie das westliche Ufer dazu ausersahen, dort Tempel und Häuser für die Ewigkeit zu errichten, in denen die aufgehende Sonne das Leib gewordene Licht der Könige und Königinnen jeden Morgen zu neuem Leben erweckte! Hier wurde die Grenze zwischen Diesseits und Jenseits aufgehoben, vermischte sich Irdisches mit Überirdischem.
Nachdem Ramses im Tempel von Kurna das Morgenritual vollzogen und Sethos’ Ka gehuldigt hatte,
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