Im Schatten der Akazie
seine Gemahlin beantwortet.«
»Ein recht unbotmäßiges Verhalten! Ich stehe zwar in meiner Laufbahn als Verwalter noch am Anfang, aber dieses Gebaren mißfällt mir. Gehen wir zu Ameni.«
Obwohl er nebenbei eine gebratene Gänsekeule verzehrte, die er in eine Rotweinsoße tunkte, las Ameni eilends die letzten Berichte des besagten Aufsehers, dessen Amtssitz im Norden von Memphis lag.
Der Oberste Schreiber des Königs zog eine unmißverständliche Schlußfolgerung.
»Irgend etwas stimmt da nicht. Kha war völlig im Recht, als er sich an diesen Beamten wandte, dem es nach meiner Erkenntnis keinerlei Schwierigkeiten bereiten dürfte, die für das Fest der Erneuerung benötigten Dinge zu liefern. Das gefällt mir nicht … ganz und gar nicht!«
»Könnte sich nicht irgendein Fehler in die Listen und Verzeichnisse der Verwaltung eingeschlichen haben?« gab Kha 175
zu bedenken.
»Schon möglich, aber nicht in meine.«
»Das droht den Erfolg des Festes teilweise zu gefährden«, bekannte der Oberpriester. »Um die Götter und Göttinnen zu empfangen, brauchen wir die schönsten Leinenstoffe, die besten Sandalen, die …«
»Ich werde eine gründliche Untersuchung einleiten«, kündigte Ameni an.
»Auf so einen Einfall kann nur ein Schreiber kommen!«
empörte sich Setaou. »Das ist umständlich und dauert lange.
Kha hat es eilig. Wir müssen gewitzter vorgehen. Ernenne mich zum Aufseher mit besonderer Befugnis, und ich fördere die Wahrheit schnell zutage.«
Ameni verzog das Gesicht.
»Da bewegen wir uns an der Grenze dessen, was die Gesetze zulassen … Und wenn du dich dabei in Gefahr begibst?«
»Ich verfüge über zuverlässige und tüchtige Helfer. Verlieren wir unsere Zeit nicht mit müßigem Geschwätz, und erteile mir schriftlich den Auftrag zu meiner Mission.«
Inmitten der Vorratshäuser im Norden von Memphis leitete die Herrin Cherit mit dem unangefochtenen Durchsetzungsvermögen eines kampferprobten Heerführers das Geschehen. Von kleinem Wuchs, dunkelhaarig, hübsch und gebieterisch, schickte sie die Treiber der mit verschiedenen Waren beladenen Esel zu den richtigen Speichern, wies den Arbeitern der Lagerhäuser ihre Aufgaben zu, überprüfte Listen und zögerte nicht, den wenigen, die aufbegehrten, ihren Stock unter die Nase zu halten.
Eine Frau mit starkem Willen, ganz nach Setaous Geschmack.
Mit seinem zerzausten Haar, dem seit mehreren Tagen sprießenden Stoppelbart und in seinem neuen Gewand aus 176
Antilopenleder, das noch schäbiger aussah als das alte, fiel ihr Setaou schnell auf.
»Was suchst du hier, du Streuner?«
»Ich möchte mit dir reden.«
»Hier wird nicht geplappert, sondern gearbeitet.«
»Gerade über deine Arbeit möchte ich mich mit dir unterhalten.«
Die Herrin Cherit lächelte boshaft.
»Meine Art, Befehle zu erteilen, mißfällt dir vielleicht …«
»Ich mache mir vordringlich Gedanken darüber, was dich zu dieser Tätigkeit ermächtigt.«
Die kleine, dunkelhaarige Frau wunderte sich. Ein schlichter Landstreicher drückte sich nicht auf diese Weise aus.
»Wer bist du?«
»Ein von der Obersten Verwaltung in der Hauptstadt ernannter Aufseher mit besonderer Befugnis.«
»Vergib mir … Aber bei deiner Gewandung …«
»Meine Vorgesetzten tadeln mich zwar deshalb, dulden diese Eigenwilligkeit aber, weil ich hervorragende Ergebnisse erziele.«
»Kannst du mir, der guten Form halber, deinen Auftrag zeigen?«
»Hier ist er.«
Der Papyrus war mit allen erforderlichen Siegeln versehen, auch mit dem des Wesirs, der Amenis und Setaous Entschluß gutgeheißen hatte.
Die Herrin Cherit las den Wortlaut mehrmals. Er räumte dem Aufseher das Recht ein, die Vorratshäuser nach eigenem Gutdünken in Augenschein zu nehmen.
»Eigentlich hätte ich dieses Schriftstück deinem Gemahl zeigen sollen.«
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»Er ist auf Reisen.«
»Sollte er nicht sein Amt versehen?«
»Seine Mutter ist sehr betagt und brauchte ihn.«
»Dann nimmst du also die Stelle deines Gemahls ein.«
»Ich kenne diese Arbeit und verrichte sie untadelig.«
»Wir haben große Sorgen, Herrin Cherit. Anscheinend bist du nicht imstande, dem Palast die Dinge zu liefern, die er für das Erneuerungsfest des Königs angefordert hat.«
»Nun ja … Das Ansuchen kam unerwartet … Und für den Augenblick trifft das, was du gesagt hast, bedauerlicherweise zu.«
»Dafür brauche ich Erklärungen.«
»Ich bin zwar nicht über alles unterrichtet, doch ich weiß, daß ein ansehnlicher Teil der
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