Im Schatten der Blutrose - Vampir-Roman (German Edition)
Position, den Stock des Gymnastikbandes fest in meiner
Hand. Als mehr Instrumente einsetzten, begann ich mit einfachen Figuren wie der
Waage, doch je mehr und je schneller die Musik ging, desto komplexer wurden
auch meine Figuren und desto komplizierter schnitt das Band durch die Luft, bis
ich schließlich beim ‚Finale’ den Stock und somit das Band hochwarf, sprang, im
Spagat landete und den Stock daraufhin ohne hinzusehen mit der anderen Hand
fing. Kurze Stille, dann Applaus. Das war schon mal ein gutes Zeichen, da bis
dahin nur Ayden so stürmisch und Amber zögerlich Beifall bekommen hatte. Ich
wickelte das Band auf, gab es dem Lehrer zurück und lief dann zielstrebig zu
den Umkleiden. Wir hatten ohnehin ein wenig überzogen und das war die Ausrede,
mich keinen Fragen stellen zu müssen.
In Windeseile zog ich mich um, packte meine Sachen
zusammen, warf mir meinen Rucksack über die Schulter und machte, dass ich aus
der Schule kam. Schnell war ich wieder Zuhause, ohne dass ich auf jemanden
getroffen war. Mein Rucksack landete in einer Ecke in der Küche, als ich diese
betrat, um mir Essen zu machen. Ich hatte mich mal wieder geweigert, etwas aus
der Kantine zu mir zu nehmen, was bei Vivian auf Protest gestoßen war, bei
Amber und Lorelei jedoch den Verdacht geweckt hatte, ich sei auf Diät. Ich
rollte nur mit den Augen und schlang meine Nudeln mit Käsesahnesoße hinunter.
Ich wollte heute noch ein wenig lesen und die leidige Aufgabe des E-Mail Schreibens
an meine Eltern übernehmen. Ich beschloss, dass ich zuerst das Unangenehme
hinter mich bringen würde, um dann zum Angenehmen übergehen zu können.
Ich setzte mich im Schneidersitz auf mein Bett,
klappte meinen Laptop auf und wartete die paar Sekunden, bis er hochgefahren
war. Dann klickte ich mich durch bis zu meinem E-Mail Account, den ich mir
extra für die Mails meiner Eltern angelegt hatte, damit ich eventuelle
Nachrichten von ihnen nicht sehen musste, wenn ich meine ‚normalen’ Mails
checkte. Wie zu erwarten war, hatte sich ein wahrer Katalog zusammengesammelt,
was nicht wirklich verwunderlich war. Seit ich nach Neuseeland gekommen war,
besaß ich diesen Account, und seitdem hatte ich ihn nie geöffnet. Meine
Entscheidung, die Mails meiner Eltern zu ignorieren, war eine gute gewesen. Die
meisten Mitteilungen, beziehungsweise alle, bezogen sich auf die durchgeführte
Überweisung des Geldes auf mein Konto. Als die Zwei jedoch gemerkt hatten, dass
ich auf ihre Hinweise nicht reagierte, hatten sie diese sein gelassen.
Dementsprechend war die neueste Mail jene, die mir mein Vater am Sonntag, dem
10. Mai geschrieben hatte. Misstrauisch klickte ich sie an; es konnte kein
Zufall sein, dass er mir exakt an dem Tag geschrieben hatte, an dem mir meine
Mutter einen Besuch abgestattet hatte. Die Mail wurde geöffnet und ich las:
Liebe Leyla,
zunächst einmal entnehme ich aus den ausbleibenden Antworten meiner
‚Finanznachrichten’, dass es nichts zu beanstanden gab und gibt und du somit
das Geld planmäßig erhalten hast. Das ist gut. Zum anderen wollte ich mal
fragen, wie dein Treffen mit Konstanze verlaufen ist. Was hat sie erwähnt? Was
wollte sie?
Aha, er wollte also wissen, was sie hinter seinem
Rücken über ihn sagte. Er war noch nie besonders gut darin gewesen, seine
wahren Beweggründe zu verbergen. Wohl die einzige Gemeinsamkeit mit meiner
Mutter.
Als Drittes und Letztes
wollte ich dir noch mitteilen, dass ich dich zu einem Ausflug einlade, wobei
ich davon ausgehe, dass du mich und Nadja begleitest. Es ist bereits alles
geregelt, du bist von deiner Schule freigestellt und der Flieger ist gebucht. Ein
‚Nein’ akzeptiere ich nicht. Jetzt fragst du dich sicher, um was es geht, oder?
Es ist nur ein harmloses Ski-Wochenende im Coronet Peak zusammen mit mir,
Nadja, dir und einem Freund deiner Wahl. Du bist ab dem 21. Mai vom Unterricht
befreit, wobei an dem Tag dein Flug nach Queenstown geht. Dort treffen wir uns
dann, unsere Flüge kommen relativ zeitgleich an. Bis dahin.
Liebe Grüße
Rupert
Wie gelähmt las ich mir die Zeilen ein zweites Mal
durch, doch ihr Inhalt blieb zu meinem Horror derselbe. Ich versuchte, alles zu
ordnen und mich auf die Dinge zu konzentrieren, die am interessantesten waren.
Ganz vorne war die Tatsache, dass er, und das konnte er nur durch meine Mutter
erfahren haben, wusste, dass ich einen Freund hatte, wobei ich mir nicht sicher
war, von welcher Definition von ‚Freund’ er ausging. Zum anderen schien
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