Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
Und er war bestimmt auch der Reiter, der mit seinem Neffen Thies zusammen die nächtlichen Fuhren begleitete. Wenn die Herren auf der Burg von den heimlichen Transporten erfahren würden, drohte ganz bestimmt der Kerker – oder etwas Schlimmeres.
Nikolaus kratzte sich am Kinn. Aber was wäre, wenn die nächtlichen Aktionen schon aufgeflogen waren? Und zwar in der vorletzten Nacht? Wilhelm hatte sie erwischt, wahrscheinlich zufällig, denn sonst hätte er bestimmt Soldaten dabeigehabt. Und zur Strafe musste er sterben. Seine Leiche wurde auf die andere Seite von Pantenburg gebracht, um vom Hof des Bauern abzulenken. Am besten in der Nähe derjenigen, mit denen Wilhelm in den letzten Tagen auch Streit gehabt hatte. Und um die Verwirrung komplett zu machen, war Christinas Messer in den leblosen Körper gestoßen worden. Aber woher hatte Roden es bekommen?
Nikolaus atmete tief durch. Der Großbauer hatte also allen Grund, Wilhelm loswerden zu wollen. Aber für die beiden Vettern sah es nicht besser aus. Jetzt hatte er noch aus einer zweiten Quelle erfahren, dass sich die drei Jünglinge doch nicht so grün waren, wie immer behauptet wurde. Hans und Wolfgang hatten wahrscheinlich gedacht, dass die Nähe zum Sohn des Herrn ihnen Vergünstigungen verschaffen würde. Das war auch ab und zu der Fall gewesen. Aber sie hatten einen hohen Preis dafür zahlen müssen: die Preisgabe ihrer Würde. Wie hatte Roden sie genannt? Fußabtreter, über die die anderen gelacht hatten, geprügelte Hunde, die trotzdem immer wieder angekrochen kamen. Vielleicht war irgendwann das Maß voll gewesen, hatten sie die Demütigungen nicht mehr ertragen. Und so hatten sie sich ihres Unterdrückers auf eine geschickte Weise entledigt, indem ein anderer für sie die Schuld übernehmen musste.
Nikolaus sagte zu Hans Hecken, der schweigend neben ihm ging: »Also gab es doch mehr Streit, als Ihr immer gesagt habt.«
»Alles nur Lüge!«
»Leider habe ich davon auch schon von anderen gehört. Langsam weiß ich nicht mehr, wem ich glauben soll.«
Der junge Bauer stellte sich Nikolaus mit drohend geballten Fäusten in den Weg. Mit diesen Händen, die durch die Arbeit mit Forke und Axt groß und kräftig waren, wollte Nikolaus, der für gewöhnlich mit Feder und Griffel hantierte, lieber keine Bekanntschaft machen.
»Ihr wagt es, mich und meinen Vetter zu verdächtigen?«
Nikolaus´ Stimme zitterte leicht, aber er versuchte, höhnisch zu klingen. »Dann sagt doch endlich offen und ehrlich, ob Ihr Streit hattet oder nicht?«
Hans knurrte wütend vor sich hin, gab dann aber zu: »Nur ab und zu, wenn es um die gleiche Frau ging.«
»Auch bei Christina?«
»Das war schon längst geklärt. Die hochnäsige Ziege konnte mir gestohlen bleiben. Aber Wilhelm war ganz heiß auf sie.«
»Also doch.« Nikolaus stellte sich triumphierend auf die Zehenspitzen, um seine fehlende Körpergröße auszugleichen. »Und was war nun mit der Wette?«
»Wilhelm hat behauptet, wir hätten ihn betrogen. Aber das stimmte nicht! Es war ein ehrlicher Wettstreit!«
»Was für ein Wettstreit?«
»Armdrücken.«
»Und es gab Zeugen für Euren Sieg?«
»Klar! Aber die hatten plötzlich Schiss! Plötzlich wollte es keiner mehr so genau gesehen haben!«
»Könnt Ihr das nicht verstehen?«
»Aber wir waren die Betrogenen! Uns stand das Pferd zu! Er hat es uns sozusagen gestohlen!«
Nikolaus nickte zustimmend. Endlich hatte er den Burschen da, wo er ihn haben wollte. »Also hattet Ihr Grund genug, es ihm wieder abzunehmen.«
Plötzlich zog Hans Hecken ein großes Messer aus der Scheide am Gürtel und schwang es bedrohlich hin und her. »Ich glaube, Ihr verschwindet jetzt besser. Beim nächsten Wiedersehen werde ich Euch sonst die Kehle durchschneiden.«
Ängstlich war Nikolaus einige Schritte zurückgewichen. Seine Siegesgewissheit hatte innerhalb eines kurzen Augenblicks dem blanken Entsetzen Platz gemacht. Heiser brachte er heraus: »Habt Ihr das auch bei Wilhelm getan, als er sich weigerte?«
Langsam kam der kräftige Bauer näher, das Messer zum Angriff hoch erhoben. »Ich schlachte dich ab, du Schwein«, knurrte er.
Nikolaus drehte sich blitzschnell um und rannte los. Ein Blick über die Schulter zeigte ihm, dass sich auch Hans in Bewegung gesetzt hatte. Nikolaus lief um sein Leben. So schnell er konnte, jagte er den staubigen Weg entlang. Jeden Augenblick erwartete er den brennenden Schmerz der Klinge in seinem Rücken. Wann würde der andere wohl zustechen? Wann
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