Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
beleidigen.«
Ärgerlich vor sich hinmurmelnd stürmte Hans los, so schnell, dass es unmöglich war, das Gespräch fortzuführen. Schnurstracks hielt er auf ein großes Gehöft zu. Als sie auf dem Hof angekommen waren, zeigte er auf einen älteren Mann, der mit zwei anderen, augenscheinlich Knechten, zusammenstand.
»Das ist Roden«, knurrte Hans kurz und begrüßte dann den Großbauern. »Ich habe hier jemanden, der mit Euch sprechen möchte.«
Der Angesprochene drehte sich um und zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Im Gegensatz zu den Arbeitskräften trug Roden saubere und frische Kleidung. Sein Leinenhemd war makellos weiß, und die Knöpfe der Weste strahlten silbern im Sonnenlicht. Selbst an seinen Lederstiefeln waren weder Dreck noch Mist zu finden. Er sah aus wie frisch aus dem Ei gepellt.
Nikolaus stellte sich vor.
Der Bauer schickte seine Leute mit einem kurzen Wink davon und antwortete dann sehr förmlich, beinahe überheblich: »Ich habe bereits von Euch gehört. Ihr seid der Abgesandte des Kurfürsten, der herausfinden will, ob das Rüth´sche Mädchen eine Mörderin ist oder nicht.«
Nikolaus war verblüfft. »Stimmt genau. Woher wisst Ihr das?«
»Mein Neffe Mathias sagte es mir gestern.«
»Ihr meint sicherlich den Amtmann in Obermanderscheid?«
Statt einer Antwort fragte Roden: »Was wollt Ihr hier?«
»Ich habe gehört, dass Ihr ein paar Schwierigkeiten mit Dietrichs Sohn hattet.«
Roden wurde lauter: »Daher weht also der Wind! Deswegen taucht Ihr plötzlich hier auf! Wieso sollte ich Schwierigkeiten mit dem Herrn gehabt haben?«
Nikolaus ließ sich nicht verunsichern. »Aus drei Gründen. Erstens: Wilhelm trieb Steuern ein, was Euch einige Probleme bescherte. Zweitens: Euer Neffe ist schon so manches Mal mit Wilhelm aneinandergeraten. Und drittens: Dietrich verweigert seine Zustimmung, damit Ihr Euch freikaufen könnt. Alles in allem genug Gründe, auf Vergeltung zu sinnen.«
»Das hat der da Euch wohl eingeflüstert?«, schrie der Bauer und zeigte auf Hans. »Hat Euch Euer sauberer Begleiter auch schon gesagt, was ihn und seinen Vetter reitet?«
Nikolaus blickte Hans fragend an. Doch der verzog keine Miene.
Roden schimpfte weiter: »Der und Wolfgang waren doch nur Wilhelms Fußabtreter. Jeder hier weiß ganz genau, wie mies er die beiden behandelt hat. Die haben von ihm mehr Prügel bezogen als ein streunender Hund! Und trotzdem kamen sie immer wieder winselnd angekrochen. Über die hat doch schon die halbe Gegend gelacht! Die haben mehr Gründe, dem verzogenen Bürschlein den Hals umzudrehen, als ich je haben werde!«
Jetzt meldete sich Hans entrüstet zu Wort: »Das ist eine dreckige Lüge! Wir waren Freunde! Ihr wollt doch nur von Euch ablenken!«
»Ach? Und übrigens: Wie reitet sich Wilhelms Pferd? Das habt Ihr ihm doch noch abknöpfen können. Was?«
Hans kochte vor Wut, doch außer einem Zähneknirschen kam keine Antwort mehr.
Roden lachte triumphierend. »Ich habe keine Angst vor Euch! Weder vor den Heckens, einer Familie voller Versager, noch vor irgendwelchen Milchbärten, die sich wer weiß was einbilden, aber hier nichts zu sagen haben. Mein Neffe hat mehr Einfluss, als Euch lieb ist. Merkt Euch das gefälligst! Sonst hetze ich Euch meine Knechte auf den Hals!«
Nikolaus war wütend. So hatte er sich das Gespräch nicht vorgestellt, irgendwie war es ihm entglitten. Anstatt Roden wichtige Informationen zu entlocken, stand er nun selbst unter Beschuss. Und sein dämlicher Begleiter hatte die Situation nur noch verschlimmert. Das war es dann wohl.
»Wir gehen«, brummte er und gab Hans Hecken einen Wink.
Der Bauer frohlockte, als sich die beiden jungen Männer umdrehten und davontrabten. »Lasst Euch hier bloß nicht wieder blicken! Ich werde mich heute noch beim Herrn Dietrich über Euch beschweren!«
Als Nikolaus noch einmal über die Schulter zurückschaute, bemerkte er, wie ihnen Roden schimpfend folgte. Er humpelte stark und fasste sich immer wieder an sein linkes Knie.
Natürlich! Jetzt passte alles zusammen! Der Bauer hatte Probleme mit Wilhelm bekommen, weil er mehr erntete, als er angab. Der Einzige, der ihm das nachweisen konnte, war der Müller Rüth. Der führte schließlich Buch, wer wann wie viel mahlen ließ. Und damit das nicht herauskam, bot Roden Reginus Geld an. Aber als der ablehnte, gab es nur einen Ausweg: Er musste die Listen stehlen. Das hatte Nikolaus jedoch erfolgreich verhindert. Der Großbauer Roden war der Unbekannte mit dem großen Hut.
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