Im Schatten der Burgen: Ein historischer Kriminalroman aus der Eifel (German Edition)
nichts.
»Findet Ihr das nicht ungerecht?«
Er hob kurz die Schultern und meinte dann lapidar: »Nun ist es sowieso zu spät. Sie wird so oder so hingerichtet. Alles andere ist in der Hand Gottes.«
Der Mann dachte ganz schön leichtfertig über das Schicksal von Menschen. Ob jemand bestraft wurde oder nicht, ob es eine schwere Sühne gab oder eine leichte, war ganz egal. Irgendwas hatte ja jeder auf dem Kerbholz.
»Und wie denkt Eure Frau über Christina?«
»Hach!« Dunkel lachte einmal kurz auf. »Die würd ihr am liebsten den Hals umdrehen.«
»Sie hätte Christina also nicht als Schwiegertochter akzeptiert?«
»Wenn ´ne gute Mitgift rausspringt, bestimmt. Aber meine Alte ist andauernd eifersüchtig. Die würd die Kleine Tag und Nacht schikanieren. Seit ich, mein Schwager und unser Nachbar mit Christina getanzt haben, sind unsere Frauen verrückt geworden. Die glauben tatsächlich, wir hätten was mit ihr angefangen.«
»So etwas glauben hier wohl einige Frauen über ihre Ehemänner.«
Er nickte grinsend. »Sie sollten sich mal lieber ein bisschen zurechtmachen und nicht immer wie ´ne Schlampe rumlaufen. Meine Frau hockt andauernd mit den anderen Weibern herum und tratscht und meckert den lieben langen Tag. Und wenn unsereiner ausnahmsweise mal Spaß haben will, heißt es gleich, ich wollt mit Christina ins Heu gehen.«
Nikolaus schüttelte den Kopf. »Dazu kann ich leider nichts sagen. Ich bin nicht verheiratet.«
»Dann seid froh, mein lieber Freund. Schaut lieber zweimal hin, wen Ihr Euch aussucht.«
»Danke für den Rat.«
»Kein Problem. Der war umsonst.« Der Bauer grinste breit.
Doch Nikolaus erinnerte sich noch an etwas anderes, was er gestern in der Gaststube gehört hatte. »Der tragische Tod Eurer Tochter tut mir leid.«
Martins Lächeln verschwand augenblicklich.
»Einige behaupten, sie sei von Wilhelm schwanger gewesen. Ist das so?«
Seine Stimme war heiser geworden. »Von wem denn sonst?«
»Dann habt Ihr wirklich allen Grund, keine Träne wegen seines Todes zu vergießen. Das kann ich gut verstehen.«
»Er hat endlich seine gerechte Strafe bekommen. Endlich Vergeltung auch für viele andere Leute hier im Tal.«
»Hättet Ihr den Mut gehabt, so etwas zu tun?«
Der Bauer beugte sich vor und presste zischend hervor: »Sofort. Mit Vergnügen.«
Nikolaus prallte zurück. Dieser plötzliche Ausdruck des Hasses hatte ihn erschreckt. Was mussten Menschen wohl alles erlebt haben, um solch ein loderndes Feuer in sich zu tragen – und das jahrelang? Der Mann hatte seine viel zu junge Tochter wegen der Lüsternheit eines jungen Burschen verloren. Doch kein Gesetz und kein Gericht waren in der Lage gewesen, für Gerechtigkeit zu sorgen und die anrüchige Tat zu sühnen. Wer sollte da nicht auf den Gedanken kommen, die Sache selber in die Hand zu nehmen und Ankläger, Richter und Henker in einer Person zu sein?
Sprachlos blickte er dem enteilenden Martin Dunkel hinterher. Der stellte seinen Karren ein paar Meter weiter wieder ab und betrat das Haus, aus dem gestern die drei wütenden Frauen gekommen waren.
»Ach?«, murmelte Nikolaus. »Dann sind die drei Furien also deine Frau, deine Schwägerin – oder deine Schwester – und deine Nachbarin? So ein Zufall aber auch. Und deine Beschreibung ihrer Eifersüchteleien passt genau zu dem, wie ich sie erlebt habe.«
Großbauer Roden
Kurzentschlossen machte er sich auf den Weg zu den Vettern Wolfgang und Hans Hecken. Nach dem, was Christina ihm erzählte hatte, sollte er den beiden unbedingt auf den Zahn fühlen. Er wollte sich versichern, ob ihre Hilfsbereitschaft ehrlich gemeint war, weil sie unschuldig waren und den Täter finden wollten, oder ob sie ein hinterhältiges Spiel mit ihm trieben, um gut über seine nächsten Schritte informiert zu sein. Vor einen fremden Karren wollte er sich auf keinen Fall spannen lassen.
Er tat am besten einfach so, als hätte er einen speziellen Verdacht, dem er nachgehen wollte. Dann würde er beobachten, wie sie darauf reagierten. Falls sie schuldig waren, wäre es in ihrem Interesse, dass jemand anders in den Vordergrund gerückt würde. Sie würden bestimmt alles tun, ihn zu unterstützen. Und so konnte er das Praktische mit dem Nützlichen verbinden, denn ihn interessierte der Großbauer Roden, der Onkel des Amtmanns Thies. Auch wenn er ihn nicht direkt von Angesicht zu Angesicht fragen konnte, ob er zusammen mit seinem Neffen Gestein durch die Nacht kutschierte, hoffte er trotzdem, ein paar
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