Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
gewesen, diese zu sammeln, doch sie bedeuteten Leben.
Torka, der Kapitän des Schiffes, trug eine silberne Uniform, die im Licht der Armaturen glänzte. Er überprüfte die Werte und blickte auf. Mit donnernd tiefer Stimme fragte er: »Dalkos, was glaubst du, wann unser Energiewandler ausfällt? Wenn es jemand weiß, bist du es. Niemand kennt sich besser damit aus, denn du warst dabei, als er konstruiert wurde.«
Dalkos überprüfte die Konsolen. Sein breites Gesicht schaute betrübt. »Ich weiß es nicht, Kapitän. Aber ich weiß, dass es jederzeit sein kann. Die Brennstäbe sind fast durchgebrannt, wir haben jede Reserve verbraucht. Und diese Reserven sorgen für Wärme und für unsere Lebenserhaltung. Sie nähren die Tiere und schützen die Pflanzen. Wir werden alle wecken müssen, da die krionischen Boxen unsere Entfernung reduzieren.«
»Dann wecke sie.«
»Aye!« Dalkos stapfte hinaus.
Torka atmete tief ein und rieb sich die brennenden Augen. Was sie getan hatten, war eine mutiges Unterfangen gewesen. Sie waren sich der Gefahren bewusst gewesen, doch die Hoffnung hatte sie in den weiten Raum getragen. Dalkos’ Worte bedeuteten, dass sie am Ende waren. Erneut überprüfte er die Daten und starrte auf den Schirm, der fast nichts zeigte außer bitterschwarzer Stille. Unendlich weit entfernt drehten sich Lichträder, pulsierten sterbende Sterne, doch der Planet, den sie suchen, war nirgends zu sehen.
Sie waren den alten Liedern gefolgt, Legenden, die von einer Welt sprachen, die ihrer eigenen ähnelte. Dort gab es frische Luft, hohe Berge, gigantische Tiere und weite Seen und Meere, Wolken und Wetter, Regen und Sonne, alles, was sie zum Leben benötigten. Die Vorbereitungen für diese Reise hatten sehr lange gedauert und sie waren dem tödlichen Meteor nur knapp entkommen.
Seine Armaturen zeigten, dass die anderen Giganten erwachten. Eine Weile würden sie müde sein, etwas desorientiert, doch das gab sich schnell.
Es war Torkas Aufgabe, die Frauen und Männer vom nahenden Ende zu unterrichten. Es gab eine Direktive. Wenn die Brennstäbe und die Energie ausfielen, würden sie ein Selbstzerstörungsprogramm initiieren. Das ersparte ihnen unendliche Leiden. Es würde ganz schnell gehen. Das Schiff würde mit Restenergie überspült werden, es gäbe einen weißen Blitz und alles endete.
Das Schott öffnete sich zischend.
Dalkos trat herein, gefolgt von zehn weiteren Giganten. Sie bauten sich auf der Brücke auf und musterten ihren Kapitän. Lange waren sie ihm gefolgt und sie vertrauten ihm. Eine Wissenschaftlerin, sie war für die Sporenbehälter verantwortlich, machte ein betrübtes Gesicht. Torka hatte volles Verständnis. Niemand starb gerne. Sie ahnten, was auf sie zukam, vielleicht hatte auch Dalkos schon einiges verlautbart.
In Torkas Kehle steckte ein Kloß. Er räusperte sich und wollte diese verdammte Verkrampfung loslassen. Das war nicht so einfach. Sie waren zu einer Familie zusammen gewachsen. Sie waren die letzte Generation der Giganten.
»Es ist vorbei«, krächzte Torka. Er wollte nicht viele Worte machen. Es gab nichts zu sagen, ein paar nette Worte vielleicht, doch auch diese würden die Furcht vor dem Tod nicht verdrängen. Letztendlich musste jeder mit sich selbst ausmachen, wie er empfand. Tröstlich war, dass der letzte große Blitz so schnell kam, dass sie ihn vermutlich nicht mehr wahrnahmen. Unglaublich schnell und schmerzlos.
»Die Götter haben uns noch eine Lebensspanne geschenkt, die außer uns niemand hatte«, sagte Torka. Der Kloß löste sich auf und seine Stimme wurde fester. »Wir haben nichts unversucht gelassen, der Legende zu folgen. Ein Land der Wunder sollten wir finden, ein Land, in dem die Mythen lebendig werden. Ein Mythenland, blau und weiß und grün und sauber. Es blieb uns versagt. Wenn wir den letzten großen Blitz einschalten, wird die Brücke zerstört werden. Unsere Lagerräume werden folgen. Die Gefäße des Lebens werden geöffnet und wir säen ins All, was wir bei uns tragen. Vielleicht trägt es ein wunderbarer Wind nach Mythenland oder auf eine andere Welt. Dort wird Leben entstehen oder sich das Leben verändern. Wir setzen Steine frei, auf denen unsere Runenlegenden geschrieben sind, massive Platten, die jeden Sonnenwind aushalten. Etwas von uns wird bleiben. Irgendwo im Kosmos. Man wird unsere Artefakte finden und sich fragen, wer wir waren. Manche werden uns für Götter halten, andere uns verleugnen. Doch wir, meine Freund, wir wissen, dass wir
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