Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
hingen an den Wänden. Eine grob gezimmerte Holztür beendete den Weg. Balger klopfte hart. Er lauschte, dann drückte er die Tür auf.
Der Raum wirkte wie die Ausgeburt eines kranken Hirns. Katraana versuchte, so etwas wie eine innere Logik zu entdecken, die sich ihr entzog. Bücher auf Tischen und dem Boden, Gefäße, wohin man blickte. Phiolen in Regalen, gerollte Pergamente, von Spinnweben überzogene Kästen, seltsam geformte Behältnisse, Maguslichter, im Raum verstreut. Von klein auf lernte eine Elfe, dass Ordnung Macht besaß. Nur ein aufgeräumtes Zimmer räumte die Seele auf. Ordnung sei die Lust der Vernunft, hatte Liotùn sie gelernt, nicht ohne lächelnd hinzuzufügen, Unordnung sei die Wonne der Phantasie.
Was er damit gemeint hatte?
Katraana neigte zur Pedanterie. Ihr Blick war stets geradeaus gerichtet. Für Phantasie war da kein Platz. Sie hatte ein Ziel vor Augen, das es zu erreichen galt. Liebe Güte, sie hatte noch hunderte Jahre vor sich. Vielleicht lernte sie Phantasie auch noch, aber erst ...
»Willkommen«, tönte eine Stimme hinter einem Haufen Bücher und einem Topf hervor.
»Seid gegrüßt, Meister Claudel«, gab Balger zurück.
Eine verwachsene Kreatur schob sich aus dem Schatten. Ein hässlicher Mann, der nicht nur hinkte, sondern auch lispelte. Er hielt den Rücken gebeugt, was ihm das Aussehen eines tückischen Raben verlieh, was durch die schwarze Robe noch unterstrichen wurde. Katraana konnte sein Alter nicht schätzen, jung war er jedenfalls nicht mehr, gemessen an Menschenjahren. Seine Nase war schmal und spitz, seine Augen schwarze Steine. Als er grinste, zeigte er drei Zähne.
»Ihr wollt den Weg, Inquister?«
»So ist es ...« Balgers Stimme klang nüchtern, aber Katraana meinte, einen sehnsüchtigen Unterton zu hören. Die Lust auf Macht.
»Und sie ist die Kriegerin?« Claudel trat auf Katraana zu und sah zu ihr hoch. Seine schwarzen Augen funkelten. »Ein schönes Weib. So wie sie sind, die Elfen aus Solituúde.« Er leckte sich über die Lippen. »Sagt euch der Name Gwenael etwas?«
Katraana riss sich zusammen. Sie stützte sich auf den Bogen und nickte langsam.
»Ja, der Name sagt mir etwas.«
»Sie ging zu ihrem Bruder.«
»Zu ihrem Bruder?«
»Warum, weiß ich nicht, jedoch sicher nicht, um ihn zu töten.«
Katraana schluckte und versuchte, ihre Nervosität zu unterdrücken. »Wie hat diese Gwenael Euch gefunden, Meister?«
Der Magus grinste. »Nicht sie fand mich, sondern ich fand sie.«
»Warum?«, flüsterte Katraana. Würde sich das Rätsel endlich lösen? Würde sie erfahren, wie Gwenael der Übergang gelungen war?
»Sie drang in meine Gedanken und rief mich. Wir verabredeten uns in einer Spelunke in Dandoria. Bei den Göttern der Magie – sie war ein schönes düsteres Weib. Ich verliebte mich sofort in sie. Und blieb es. Ich verzehrte mich nach ihr.«
Katraana hätte um Haaresbreite laut gelacht. So also hatte sie es gemacht. Mit einem Liebeszauber. Ein grausamer Zauber. Der verliebte Mann folgte seiner Liebe, wie ein Hund seinem Herrn, sogar, wenn man ihm Selbstmord befahl. Er würde sich lachend töten. Wie hatte der hässliche Mann das überlebt?
»Ich weiß, was in Eurem Kopf vorgeht, Elfe«, winkte Meister Claudel. »Ich bin einem Liebeszauber aufgesessen, den ich erst vor einem Jahr durch Magie auflösen konnte. Ich tat für sie, was sie wollte und sie ließ mich zurück. Ich wäre fast wahnsinnig geworden. Ich riss mir einen Zahn nach dem anderen aus, bis der Schmerz den Elfenzauber brach. Seither gehören Suppen zu meiner Lieblingsspeise.« Er kaute und kicherte. »Das berichte ich Euch, damit ihr es gar nicht erst mit einem Liebeszauber versucht. Ich bin dagegen gefeit.«
Balger unterbrach. »Eine üble Geschichte, Meister Claudel. Dennoch sollten wir zum Kern der Sache kommen.«
Der Magus drehte sich um und hinkte zu seinem Tisch. Er wischte Bücher und Gefäße zur Seite, von denen einiges auf den Steinboden polterte. Er entrollte ein Pergament und wischte es mit den Handflächen glatt. Er winkte sie mit einer Kopfbewegung zu sich und tippte mit dem Zeigefinger auf einen Punkt. »Das ist Dandoria. Hier sind wir. In der Mitte von Mittmeer gibt es einen Mahlstrom. Dort ist der Eingang zu Unterwelt. Allerdings kann man diesen nur nutzen, wenn man von den Dämonen höchstpersönlich eingeladen wird.«
Er sah auf und keckerte. »Eingeladen ...« Er schien das witzig zu finden.
»Der zweite Eingang, Meister«, sagte Balger. »Ich weiß,
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