Im Schatten der Drachen (MYTHENLAND - Band 1 bis 5 komplett) (German Edition)
den Göttern, ich möchte nicht aus meinem Inneren gerissen werden, weil es dir beliebt!«
Katraana lächelte still und schlug die Augen nieder. Gwenael wusste jedoch genau, dass die Elfe sich nicht um ihre Kritik scherte. Sie war schon immer eigenwillig gewesen.
»Was ist geschehen?«, fragte Gwenael und verbarg ihren Zorn. Sie schritt neben Katraana über den Kies. Sie blickte an sich hinab. Ihre Kleidung war hellgrau, fast weiß und hauchdünn. Sie tastete an ihren Hals und spürte feingewobenen Schmuck, um ihren Arm ein Reif, der in der Sonne schimmerte. Ihre Haare waren mit einem Band gebändigt, und als sie es abnahm, war es mit Sternenstaub bestickt. Ihre Füße steckten in schmalen offenen Stiefeln, die mit Bändern am Knie befestigt waren. Sie duftete nach feinsten Parfums.
Die junge Elfe an ihrer Seite antwortete: »Unsere Magie ist vergiftet.«
Katraana war schlank und hochgewachsen, ihr Körper schien biegsam und wirkte athletisch. Die schmalen Ohren lagen eng am feingeschwungenen Kopf an, große Augen mit langen Wimpern, eine zarte Nase und sinnliche Lippen vervollständigten das ätherische Bild einer wunderschönen Elfe. Sie trug ein himmelblaues Gewand, welches ebenso wie Gweanaels Haarband mit Sternenstaub bestickt war. Ihre gesamte Erscheinung wirkte dennoch schlicht und die Kleidung zweckdienlich.
»Die Magie ist vergiftet? Wie meinst du das?«
»Seit einiger Zeit liegt Düsternis über den Häusern. Unsere Heilzauber funktionieren nicht mehr. Aus wohlschaffenden Elfen wird brutaler Abschaum. Unsere Dichter schreiben von dunkler Magie, Gedichte der Düsternis, Visionen von Feuer und Asche. Das Gesetzeswesen scheint außer Kraft, es kommt zu Schlägereien, es gab sogar Morde. Auch die Natur bäumt sich auf. Unsere Freunde, die Bäume, gehen ein, schau nur.«
Gwenael sah es und es brach ihr fast das Herz.
Zwei Eichen bogen ihre Äste herab wie Trauerweiden. Über die Stämme glitten gelbe, handtellergroße Tiere, die alles fraßen, was sie fanden. Die Blätter der Verwegenen waren gelb oder verrottet. Gwenael hatte das Gefühl, ihren Trauergesang zu hören.
»Was sind das für Tiere?«
»Wir wissen es nicht. Sie kamen aus dem Erdreich wie Dämonen.«
»Grauenhaft.«
»Das ist nicht alles.« Katraana hakte sich bei Gwenael unter und führte sie weiter. Sie schritten über einen Weg und der Kies knirschte unter ihren Füßen. Sie waren unterwegs zu einem Vogelhain. Hier entspannten Elfen sich und hielten stille Zwiesprache mit den Fedrigen.
»Schau hin«, sagte Katraana und zeigte auf das Verderben.
Tote Vögel lagen vor den verdorrten Wurzeln der Büsche, große hässliche Katzen stießen ihre Zähne in die weichen Körper und huschten mit ihrer Beute davon. Man hörte kein Zwitschern, keinen fröhlichen Gesang.
»Nicht nur die Elfen, auch die Fedrigen«, flüsterte Gwenael. An diesem Ort hatte sie viel Zeit zugebracht. Hier hatte sie gebetet und verinnerlicht. Hin und wieder hatte sie eines von Feiniels Gedichten geleswen, die sie berauschend fand. Sie hatte dem Gesang der Fedrigen gelauscht und ihrer Zehen hatten mit den feinen weißen Steinen gespielt. Die Hecken hatten geblüht und einen würzigen Duft verströmt. Das hatte sich verändert. Über der Meditationsstätte lag der süße Hauch von Verfall. »Das ist fürchterlich. Diesem Ort ist die Magie abhandengekommen.«
»Ja«, sagte Katraana. »Das Gras vertrocknet, die Ernte verdorrt. Hast du die Algen gerochen?«
»Ja.«
»Unsere Teiche und Gewässer kippen um, die Fische ersticken oder werden von grauen Algen erdrückt.«
»Ist es überall so?«
»Im ganzen Tal und nur dort. Ich weiß von Reisenden, dass in Dandoria alles wie gewohnt ist, aber bei uns ...«
»Was gut ist. Stelle dir vor, Dandoria wird verseucht. Es liegt nur drei Tagesritte entfernt. Das würde Mythenland seines Zentrums berauben.«
»Schön, dass du an diese Kreaturen denkst, die sich Menschen nennen. Hier geht es ...«
»Einen Moment, Katraana. Sage so etwas nie. Den Menschen haben wir zu verdanken, dass man uns achtet und ehrt. Ohne die Menschen wären wir noch immer ein Volk, vor dem man sich fürchtet. Sie haben den Mythos unserer Kultur in die Welt getragen. Früher hatte man Abscheu vor uns. Das hat sich grundlegend geändert.«
Katraana senkte den Kopf und hielt an. Sie drehte sich zu Gwenael. »Verzeih, meine Freundin. Du hast recht. Aber ich bin verzweifelt. Wenn das so weitergeht, wird das gesamte Tal Solituúde untergehen.«
Gwenael
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