Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
der Entschuldigung, kaum geschlafen zu haben und wieder die ganze Nacht bei Mr. Prendergast wachen zu müssen. Sie trennten sich kühl. Sie ging zurück zum Hospital, er Gott weiß wohin.

7
    Alles, was Monk über Prudence Barrymore erfahren hatte, wies auf eine leidenschaftliche, intelligente und zielstrebige Frau hin, die sich ausschließlich der Krankenpflege widmete. Sosehr sie seine Phantasie auch anregen mochte, sie war sicher keine Frau, mit der leicht auszukommen war, weder in einer Freundschaft noch in der Familie. Keiner hatte ein Wort darüber verloren, ob sie auch nur eine Spur von Humor gehabt hatte. Immerhin, Humor war zuweilen der einzige Zug, der Hester erträglich machte. Nein, so ganz stimmte das auch wieder nicht: Er würde nie ihren Mut vergessen, ihren Willen, sich für ihn einzusetzen, selbst wenn der Kampf noch so aussichtslos und Monk sonst keinem der Mühe wert schien. Aber trotzdem, manchmal konnte sie einfach unausstehlich sein!
    Unter einem drückenden grauen Himmel spazierte er die Straße entlang. Jeden Augenblick war ein sommerlicher Platzregen zu erwarten. Er würde die Fußgänger durchnässen, die Pferdeäpfel in den Rinnstein spülen und in großen Bächen voll winziger Strudel über das Pflaster laufen. Selbst der Wind roch bereits naß und schwer.
    Er ging in der Gray’s Inn Road Richtung Krankenhaus in der Absicht, noch einmal mit Evan zu reden, um ihm einige Fragen zu Prudence Barrymores Charakter zu stellen; falls Evan gewillt war, ihm Auskunft zu geben. Und wenn Monk ehrlich war, so war er sich dessen gar nicht so sicher. Entsprechend ungern fragte er ihn. An Jeavis’ Stelle hätte er niemandem etwas gesagt und jeden Untergebenen zur Schnecke gemacht, der etwas verlauten ließ.
    Und trotzdem, mochte er auch keinen konkreten Grund dafür haben, seiner Meinung nach war Jeavis dem Fall nicht gewachsen. Monk hatte Erfolge seit seinem Unfall gehabt, auch wenn einige davon durchaus fragwürdig gewesen waren, da er sie großteils der Hilfe anderer, vor allem Hesters verdankte. Was vor dem Unfall gewesen war, konnte er nur aus Aufzeichnungen ersehen. Sie wiesen auf Intelligenz, auf Zorn über Ungerechtigkeit und Ungeduld mit Verzagten und Zauderern hin. Und niemand schien ihm geholfen zu haben. Aber wie verläßlich waren diese Aufzeichnungen, die größtenteils in seiner eigenen Handschrift waren?
    Was für eine Erinnerung mochte da wohl an ihm gezupft haben auf der Rückfahrt von Little Ealing? Er und Runcorn hatten zusammen an einem Fall gearbeitet, vor langer Zeit, als Monk noch neu bei der Polizei gewesen war. Er hatte sich alle Mühe gegeben, sich an weitere Einzelheiten zu erinnern, irgendeinen Hinweis darauf zu finden, worum es in diesem Fall gegangen war, aber es wollte sich nichts einstellen, nur Zorn, eine ohnmächtige, weißglühende Wut, die wie ein Schild funktionierte – nur gegen was?
    Es begann zu regnen: riesige warme Tropfen fielen, schneller und schneller. Von irgendwoher grollte, selbst den Krach der Räder übertönend, der Donner. Ein Mann, der seinen schwarzen Schirm zu öffnen versuchte, eilte an ihm vorbei. Ein Zeitungsjunge stopfte hastig seine Blätter in eine Leinentasche, ohne dabei mit seinem Geschrei aufzuhören. Monk schlug den Rockkragen hoch und beugte sich vor.
    Das war es! Die Presse! Sein Zorn hatte ihn gegen ihren lautstarken Protest nach einer Verhaftung und den Druck von oben gefeit. Es hatte ihn nicht interessiert, was die anderen dachten; alles, was für ihn zählte, waren seine eigenen übermächtigen Gefühle gegenüber dem Verbrechen, die Wut, die an ihm fraß. Nur, um was für ein Verbrechen hatte es sich gehandelt? Nichts in seinem Gedächtnis gab ihm auch nur den geringsten Hinweis darauf. Er konnte suchen, soviel er wollte, es war nichts da.
    Es war ungemein deprimierend. Und auch dieses Gefühl war ihm vertraut. Er war seinerzeit nicht weniger entmutigt gewesen. Die Ursache seines Zorns war heute wie damals die Hilflosigkeit. Eine Sackgasse nach der anderen. Er kannte die aufkeimende Hoffnung, die Vorfreude, der dann die Enttäuschung folgte, das hohle Gefühl zu versagen. Sein rasender Zorn hatte sich zumindest teilweise gegen Runcorn gerichtet, weil dieser einfach zu zaghaft war, zu sehr darauf bedacht, keinem der Zeugen zu nahe zu treten. Monk wäre ihnen rücksichtslos zu Leibe gerückt; nicht etwa weil er grausam gewesen wäre, sondern weil es ihnen auch angesichts der weitaus größeren Tragödie einzig um den Schutz ihrer

Weitere Kostenlose Bücher