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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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der Anklagebank, rutschte nach vorne, sein Ausdruck mit einemmal gespannt, zwischen seinen Brauen ein senkrechter Strich.
    »Sie haben an der Beerdigung von Miss Barrymore also aus beruflichen Gründen teilgenommen?« fuhr Lovat-Smith fort.
    »Nein«, sagte Monk kurz und bündig.
    Falls Monk gehofft hatte, Lovat-Smith aus dem Konzept zu bringen, so gelang ihm das kaum. Sein Instinkt, vielleicht auch der stählerne Ausdruck auf Monks Gesicht, warnte den Staatsanwalt davor, nach seinen Motiven zu fragen. Er konnte für die Antwort nicht garantieren. »Aber Sie waren dort?« fragte er ihn statt dessen und wich dem Problem damit aus.
    »Jawohl.«
    »Und Miss Barrymores Familie kannte Ihre Verbindung zu dem Fall?«
    »Ja.«
    Es war jetzt mucksmäuschenstill im Saal. Der Zorn in Monk, irgendeine Kraft in seinem Gesicht sorgte für gespannte Aufmerksamkeit; niemand flüsterte, niemand rührte sich.
    »Hat Ihnen Miss Barrymores Schwester, Mrs. Faith Barber, bei dieser Gelegenheit einige Briefe überreicht?« fragte Lovat-Smith.
    »Ja.«
    Lovat-Smith hatte Mühe, seinen ruhigen Ton zu wahren.
    »Und Sie haben sie angenommen. Was für Briefe waren das, Mr. Monk?«
    »Briefe von Prudence Barrymore an ihre Schwester«, antwortete Monk. »In einer Art Tagebuch, fast jeden Tag einer in den letzten dreieinhalb Monaten ihres Lebens.«
    »Haben Sie sie gelesen?«
    »Natürlich.«
    Lovat-Smith brachte einen Stapel Papiere zum Vorschein und reichte ihn Monk hinauf. »Sind das die Briefe, die Mrs. Barber Ihnen gegeben hat?«
    Monk sah sie durch, obwohl es nicht nötig gewesen wäre. Er hatte sie auf der Stelle erkannt. »Sie sind es.«
    »Würden Sie dem Gericht den ersten vorlesen, den ich mit einem roten Band gekennzeichnet habe. Wenn Sie die Freundlichkeit hätten?«
    Gehorsam und mit knapper, harter Stimme begann Monk zu lesen:
    Meine liebste Faith, was für einen wunderbaren Tag habe ich hinter mir! Sir Herbert hat glänzende Arbeit geleistet. Ich konnte seine Hände nicht einen Augenblick aus den Augen lassen. Eine derartige Kunstfertigkeit hat eine ganz eigene Schönheit.
    Und seine Erklärungen sind so einleuchtend, daß ich nicht die geringsten Schwierigkeiten habe, ihnen zu folgen und jeden einzelnen Punkt zu verstehen.
    Er hat mir Dinge gesagt, die mich innerlich jauchzen lassen vor Glück! Alle meine Träume liegen in der Waagschale, und er hat alles in der Hand. Ich hätte nie geglaubt, jemanden mit einem solchen Mut zu finden! Faith, er ist wirklich ein wunderbarer Mann – ein Visionär – ein Held im besten Sinne: nicht einer, der durch die Weltgeschichte eilt und Völker erobert, die man besser zufrieden gelassen hätte, oder sich irgendwo abmüht, die Quelle eines Flusses zu entdecken, nein, er führt hier, zu Hause, einen Kreuzzug für großartige Prinzipien, die Zehntausenden helfen werden. Ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich und privilegiert ich bin, daß er mich auserwählt hat! Bis zum nächsten Mal, deine dich liebende Schwester. Prudence »Und den zweiten von mir markierten, wenn Sie so freundlich wären?« fuhr Lovat-Smith fort.
    Wieder las Monk vor und blickte dann auf; weder in seinen Augen noch in seinen Zügen fand sich eine Gefühlsregung. Nur Rathbone kannte ihn gut genug, um sich des Widerwillens bewußt zu sein, den er dabei empfand, in die innersten Gedanken einer Frau einzudringen, die er verehrte.
    Im Saal herrschte Schweigen, alle Ohren waren gespitzt. Die Geschworenen starrten Sir Herbert mit unverhohlenem Abscheu an.
    »Sind die anderen in ähnlichem Ton gehalten, Mr. Monk?« fragte Lovat-Smith.
    »Einige«, antwortete Monk. »Andere wieder nicht.«
    »Dann, Mr. Monk, wollen Sie uns zu guter Letzt noch den von mir mit einem gelben Band markierten Brief vorlesen?«
    Mit leiser, harter Stimme las Monk vor.
    Liebe Faith, nur eine Notiz heute. Ich bin zu demoralisiert, um mehr zu s chreiben, und so müde, daß ich einschlafen und nie wieder aufwachen möchte. Es war alles nur vorgetäuscht. Ich kann es selbst jetzt noch kaum glauben, obwohl er es mir ins Gesicht gesagt hat. Sir Herbert hat mich verraten. Es war alles eine Lüge – er wollte mich nur benutzen – all seine Versprechen bedeuteten nichts. Aber ich werde es nicht dabei belassen. Ich habe etwas in der Hand, und ich werde es benutzen! Prudence Ein Seufzen und ein Rascheln, als sich die Köpfe von Monk zur Anklagebank wandten. Sir Herbert machte einen angespannten Eindruck; aus seinem Gesicht war neben seiner Müdigkeit eine

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