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Im Schatten der Gerechtigkeit

Im Schatten der Gerechtigkeit

Titel: Im Schatten der Gerechtigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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freue mich schon darauf«, sagte Hester ruhig. Sie wandte sich an den Major. »Wann wollen Sie sie denn veröffentlichen?«
    Er machte einen so gedankenversunkenen Eindruck, daß sie überrascht war, als er ihr antwortete.
    »Oh – ich denke…« Dann schloß er die Augen und holte tief Luft. Sein Gesicht war ganz rosig geworden. »Ich wollte eben sagen, es gibt noch soviel zu tun, aber das stimmt nicht. Edith war so fleißig, daß es kaum noch lose Enden gibt. Aber ich weiß noch nicht, ob ich einen Verleger finde, der sie haben will oder ob ich die Veröffentlichung aus eigener Tasche bezahlen muß – eine Eitelkeitsausgabe, wie man das wohl nennt. Häßliches Wort.« Er verstummte mit einemmal.
    Dann wandte er sich mit grimmiger Entschlossenheit Edith zu. »Edith, ich finde den Gedanken an den Abschluß unserer Arbeit ebenso unerträglich wie den, daß Sie mich wieder verlassen. Ich dachte, es sei das Schreiben über Indien und Afrika, was mir eine solche Freude bereitet und solchen inneren Frieden beschert hat, aber das ist es nicht. Es war die Tatsache, das mit Ihnen zu teilen, Sie jeden Tag hier zu haben. Ich hätte mir nie gedacht, daß mir die Gesellschaft einer Frau so außerordentlich… angenehm sein könnte. Mir sind Frauen bisher immer wie Wesen aus einer anderen Welt vorgekommen: entweder bedrohlich wie Gouvernanten und Krankenschwestern, oder völlig banal und damit noch furchterregender.« Sein Gesicht war purpurrot, aber seine blauen Augen leuchteten. »Ich wäre furchtbar einsam, wenn Sie mich wieder verließen, und der glücklichste Mann der Welt, wenn Sie blieben – als meine Frau. Wenn das anmaßend ist, so entschuldige ich mich – aber ich muß Sie das fragen. Ich liebe Sie von ganzem Herzen.« Von seiner eigenen Tollkühnheit übermannt, hielt er inne, aber seine Augen wichen nicht einen Moment von ihrem Gesicht.
    Edith blickte zu Boden, errötete zutiefst, lächelte jedoch dabei nicht aus Verlegenheit, sondern vor Glück.
    »Mein lieber Horatio«, sagte sie zärtlich. »Ich könnte mir nichts auf der Welt denken, was ich lieber täte.«
    Hester stand auf und küßte Edith liebevoll, dann den Major auf die gleiche Weise und verabschiedete sich.

11
    Oliver Rathbone stattete Sir Herbert einen Besuch ab, um ihn darüber zu informieren, daß er ihn als Zeugen aufrufen würde.
    Es war keine Zusammenkunft, auf die er sich freute. Sir Herbert war viel zu intelligent, um nicht zu sehen, wie schlecht seine Chancen standen, wieviel hier von Gefühlen, Vorurteilen und Sympathien abhing; gewiß Imponderabilien, mit denen Rathbone vertraut war, aber herzlich dünne Fäden, um daran das Leben eines Mannes zu hängen. Beweise waren nun einmal nicht zu bestreiten. Selbst eigensinnige Jurys konnten sie nicht außer acht lassen.
    Trotzdem fand er Sir Herbert in weit optimistischerer Stimmung, als er befürchtet hatte. Er war frisch gewaschen und rasiert und trug saubere Kleidung. Er sah so aus, als wäre er auf dem Weg ins Krankenhaus, um seine Visiten zu machen.
    »Guten Morgen, Rathbone«, sagte er, nachdem die Zellentür sich geschlossen hatte. »Heute morgen sind wir an der Reihe. Wie wollen Sie beginnen? Wie mir scheint, hat Lovat-Smith alles andere als einen hieb und stichfesten Fall. Er hat schließlich nicht bewiesen, daß ich es war. Was er auch nicht könnte und ganz sicher hat er nicht bewiesen, daß es nicht Taunton oder Beck oder Miss Cuthbertson oder sonst jemand war. Wie sieht Ihr Plan aus?« Wäre da nicht sein verspannter Nacken gewesen und eine gewisse Verlegenheit in seiner Haltung, er hätte genausogut eine interessante Operation diskutieren können, an der ihm persönlich nichts lag.
    »Ich werde Sie als ersten aufrufen.« Das Lächeln, das er sich abrang, erweckte den Eindruck von Selbstvertrauen. »Ich werde Ihnen Gelegenheit geben, jede persönliche Beziehung zu Prudence Barrymore zu bestreiten, ganz zu schweigen davon, daß Sie sie getötet haben. Außerdem möchte ich einen oder zwei Zwischenfälle ansprechen, die sie mißverstanden haben könnte.« Er musterte Sir Herbert eingehend. »Wir könnten damit aufzeigen, daß sie sich Tagträumen hingab oder die Realitäten in ihrem Sinne verdrehte.«
    »Ich habe versucht, mich zu erinnern«, wandte Sir Herbert ernst ein, den Blick fest auf Rathbone gerichtet. »Aber ich erinnere mich nicht, jemals mehr als nur höflich gewesen zu sein!«
    Rathbone schwieg, zog jedoch ein Gesicht dabei. »Herrgott noch mal, Mann!« explodierte Sir

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