Im Schatten der Giganten: Roman
Bursche marschierte an uns vorbei, ohne auch nur einmal zu den Mauern zu sehen, und das Geräusch seiner Schritte wurde schnell leiser. Schließlich herrschte wieder Stille, und ich hörte nur noch Salzlecks heiseren Atem und das heftige Trommeln meines Herzens.
»Na schön«, sagte ich, als ich mich einigermaßen beruhigt hatte. »Gehen wir.«
Diesmal achtete ich darauf, in den Schatten des Palastes zu bleiben, als ich Salzleck hinter mir herzog. Wir brauchten einige Minuten, um die nordöstliche Ecke hinter uns zu bringen und zum vorderen Bereich zu gelangen. Dort ging ich schneller – zuvor hatte ich festgestellt, dass vom Wachhaus aus ein großer Teil des Hofes nicht einzusehen war – und wurde erst wieder langsamer, als wir uns dem großen Haupteingang näherten. Dort gab es einen von Fackeln geschaffenen Lichtkreis, und an seinem Rand hielt ich an. Ich sah nur einen Wächter, der uns den Rücken zukehrte. Rasch flüsterte ich Salzleck eine letzte Anweisung zu und trat ins Licht.
Wir waren nur zwei Gäste, keine Eindringlinge. Ich begann zu torkeln, hätte mir die Mühe aber sparen können. Der Wächter sprach mit einem Kollegen, der auf der anderen Seite des Wachhauses außer Sicht gewesen war. Bis zum letzten Moment achteten sie nicht auf uns.
»Hallo«, sagte ich zu laut. »Wir … äh, mein Freund hier und ich, wir wollten nur …« Den meisten Leuten gelingt es nicht, glaubwürdig Trunkenheit zu heucheln. Sie verstehen nicht, dass man so klingen muss, als versuchte man verzweifelt, nüchtern zu klingen. »Nun, wir haben das eine oder andere Gläschen getrunken, in Gesellschaft Seiner Hoheit, und wir wollten ein bisschen in die Stadt, um dort, ihr wisst schon, Unterhaltung anderer Art zu suchen. Ich meine nicht, dass wir nach leichten Damen suchen, obwohl, wenn ihr welche kennt …« Ich winkte schwerfällig.
Der nächste Wächter trat vor. »Um diese Zeit? Wir sind angewiesen, jeden zu durchsuchen, der den Palast nach Einbruch der Dunkelheit verlässt.« Er klang unsicher, und ich merkte, dass er das Medaillon an meinem Hals betrachtete. Vermutlich lauteten die Anweisungen: Durchsucht jeden, der wie Easie Damasco aussieht . Das war so weit in Ordnung, solange die Wächter nicht auch aufgefordert waren, uns zu verhaften.
»Natürlich, mein Bester«, erwiderte ich. »Bin gern zu Diensten.«
Salzleck nahm diese Worte wie vereinbart zum Anlass, drohend näher zu rücken. Sein Gesicht zeigte dabei einen Ausdruck, der auf eine Mischung aus Zorn, Zahnschmerzen und Verstopfung hinwies. Es war nicht unbedingt das, worum ich ihn gebeten hatte – offen gesagt, es fiel mir schwer, ein Lachen zu unterdrücken –, aber die beiden Wächter wirkten plötzlich sehr nervös.
Derjenige, der mich angesprochen hatte, verbrachte einige Momente damit, mich zu durchsuchen – von den Füßen bis zum Hals klopfte er mich ab und zeigte dabei routiniertes Geschick. Dann wandte er sich Salzleck zu, dessen Gesicht nicht mehr ganz so grimmig wirkte, aber immer noch recht eindrucksvoll war. Der Wächter schluckte zwar, hielt jedoch an seiner Pflicht fest. »Wenn Ihr bitte niederknien würdet«, sagte er und machte sich dann an die Durchsuchung des Riesen.
Ich hielt den Atem an.
Ich hätte mir keine Sorgen machen müssen. Selbst als Salzleck kniete, blieben die verborgenen Taschen außer Reichweite, solange derjenige, der ihn abklopfte, nicht außergewöhnlich groß und besonders entschlossen war. Auf den Wächter traf weder das eine noch das andere zu. Ich verglich sein Verhalten mit dem eines Blinden, der versuchte, die Größe einer mit Scheiße bedeckten Statue abzuschätzen. Seine erfahrenen Händen flogen über Salzlecks Leib, und kaum war er fertig, wich er mit einem erleichterten Seufzen zurück.
»Nun, äh … es scheint alles in Ordnung zu sein. Für den Rest der Nacht wünsche ich euch viel Spaß.«
»Danke«, sagte ich und wandte mich dem Tor zu. »Wir sind fest entschlossen, jede Menge Spaß zu haben.«
Ich entspannte mich erst, als wir um die nächste Straßenecke bogen und die beiden Wächter außer Sicht gerieten. Selbst dann erwies es sich als Fehler. Mein ganzer Körper fühlte sich gummiweich an, beziehungsweise wie Gummi, das jemand mit einem Hammer weich geklopft hatte, wenn das möglich war. Ich lehnte mich an einen Fenstersims, atmete mehrmals tief durch und wartete, bis das Zittern meiner Knie aufhörte.
Wir hatten es geschafft!
Wenn die Torwächter ihr Handwerk verstanden, würden sie
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