Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
Vom Netzwerk:
an der Tür der Kutsche. Als sie angehalten hatte, stieg der Prinz aus, in einen Pelzmantel gehüllt, der ihm bis zu den Füßen reichte.
    »Ich hätte Euch vielleicht verziehen, meine Gäste zu bestehlen, Damasco, aber von einem guten Bankett wegzulaufen, ist absolut verwerflich. Was dich betrifft, Riese … Ich habe dich für vernünftig gehalten. Schäm dich!«
    Salzleck ließ den Kopf hängen.
    »Wenn Ihr jetzt bitte so freundlich wärt, Eure neu erworbenen Objekte zurückzugeben … Dann können wir alle in unsere weichen, warmen Betten zurückkehren.«
    Moaradrid brachte sein Pferd nach vorn. »Schluss mit den Spielchen, Panchetto. Der Dieb hat sein wahres Gesicht gezeigt und damit seine Immunität verloren. Ich verlange seine Auslieferung.«
    Panchetto wirkte betroffen. »Offenbar liegt hier ein Missverständnis vor. Ich bin so höflich gewesen, Euch auf dieses nächtliche Unterfangen hinzuweisen und Euch zu erlauben, mich zu begleiten. Es kommt natürlich nicht infrage, einen altapasaedanischen Verbrecher Eurer Obhut zu übergeben. Unsere Justiz ist für diese Angelegenheit zuständig.«
    »Ich werde nicht zulassen, dass er mir erneut entwischt.«
    »Ich fürchte, da bleibt Euch keine Wahl.«
    Die Stimme des Prinzen klang fast so eisig wie die des Kriegsherrn. Ärger lag in seinem fleischigen, aufgedunsenen Gesicht, doch das war nichts im Vergleich mit dem in Moaradrid brodelnden Zorn.
    »Ihr hattet genug Gelegenheit und seid gewarnt gewesen«, sagte er. Seine Stimme war dabei kaum mehr als ein Flüstern. »Gebt mir diesen Mann.«
    »Ich denke nicht daran.«
    »Na schön.«
    Die Bewegung war so schnell, dass ich ihr nicht folgen konnte und zunächst nicht verstand, was geschah. Selbst wenn Panchetto etwas geahnt hätte, ihm blieb nicht Zeit genug für eine Reaktion. Moaradrids Hand flog zu seinem Gürtel und holte dann aus. Etwas blitzte silbern, wie der Schweif einer Sternschnuppe, und ich hörte ein Geräusch so klar und scharf wie brechendes Glas.
    Panchettos Körper fiel aufs Kopfsteinpflaster.
    Der Kopf folgte einen Moment später.

19
    M oaradrids Säbel hing in der Luft und glänzte feucht im Fackelschein. Nichts bewegte sich, abgesehen vom Blut auf dem Boden, das eine größer werdende Lache bildete – ohne Ende strömte es aus Panchettos Leiche. Sein Kopf wirkte wie eine Insel in einem scharlachroten See, und Überraschung zeigte sich in dem Gesicht. Der Mund war geöffnet, als hätte er selbst im Tod noch etwas zu sagen.
    Es war Alvantes, der den Bann brach. Er sprang vom Kahn an Land, bückte sich und hob Panchettos Leichnam hoch. Seine Männer reagierten sofort: Der Halbkreis aus Reitern schloss sich um den Hauptmann, der den ermordeten Prinzen in seinen Armen hielt.
    Doch niemand unternahm etwas gegen Moaradrid, der zusammen mit seinen Leuten auf eine sichere Distanz zurückwich. Ich konnte nicht behaupten, Panchetto gemocht zu haben, aber es war schrecklich, mit anzusehen, wie er mit so gleichgültiger Verachtung umgebracht wurde. Warum hatte Alvantes nicht die Gelegenheit genutzt, ihn zu rächen?
    Weil er im Gegensatz zum Prinzen und zu mir nicht so dumm war, Moaradrid zu unterschätzen. Auf der höher gelegenen Hafenmauer waren einige dunkle Gestalten erschienen, vermutlich noch mehr Halunken in Diensten des Kriegsherrn. Sie blockierten den Weg in die Stadt, was jedoch unsere geringste Sorge war – das begriff ich, als ein Pfeil mit Unheil verkündendem Klacken aufs Kopfsteinpflaster fiel.
    Alvantes legte die Leiche des Prinzen in die Kutsche und schwang sich dann auf den Kutschbock, während der Kutscher versuchte, das Gefährt zu drehen. Die Reiter bemühten sich unterdessen, die Kutsche abzuschirmen. Zwei von ihnen hatten bereits Pfeile abbekommen, aber es waren Elitesoldaten, die sich von so etwas kaum beeindrucken ließen.
    Nur Salzleck und ich standen reglos am Rand des Kais, wo wir gerade so außer Reichweite der Bogenschützen waren. Wir hatten jedoch nur eine Atempause, mehr nicht. Ich sah, dass sich Moaradrid uns näherte, aber ich brachte es noch immer nicht fertig, mich zu bewegen. Wohin sollte ich laufen? Ich überlegte, auf Anterios Kahn zu springen, aber selbst wenn ich es irgendwie geschafft hätte, die Leinen rechtzeitig zu lösen – ich wäre bestimmt nicht weit gekommen. Die einzige andere Möglichkeit war die Kutsche. Alvantes war vielleicht etwas weniger als Moaradrid gewillt, mich umzubringen, aber um die Kutsche zu erreichen, musste ich durch den See aus Blut,

Weitere Kostenlose Bücher