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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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ihre Vorgesetzten von dem seltsamen Paar berichten, das den Palast verlassen hatte, und vielleicht würde dann jemand nach uns suchen. Andererseits: Es war spät in der Nacht, Prinz und Hauptmann der Wache befanden sich bei einem Bankett, und die Räder würden sich langsam drehen, wenn überhaupt. Ich sollte längst fort sein, bevor jemand kam, um der Sache auf den Grund zu gehen.
    »Wir haben es geschafft«, sagte ich zu Salzleck und grinste.
    Er antwortete nicht.
    »Du kannst aufhören, eine finstere Miene zu schneiden«, fuhr ich fort. »Das sollte nur die Wächter einschüchtern.«
    Die Grimasse wurde noch etwas grimassiger. »Schlimm.«
    »Was? Die Flucht?«
    »Stehlen schlimm.«
    »Die Entnahme einiger Kinkerlitzchen aus der Obhut von Reichen, die sie leicht ersetzen können? Was soll daran schlimm sein?«
    Ich spürte, dass Salzleck anderer Meinung war. Mir blieb nicht genug Zeit, ihn von meinem Standpunkt zu überzeugen, und das war auch gar nicht nötig, solange ich den Anführer-Stein hatte. »Deine Einwände sind hiermit zur Kenntnis genommen und beiseitegeschoben, Salzleck. Komm jetzt.«
    Ich ging los. Der Riese zögerte kurz und folgte mir dann.
    Mir wäre es lieber gewesen, das Tempelviertel zu meiden. Die Straßen dort waren breit – schmale Gassen schienen eine Beleidigung für die Götter zu sein. Überall hingen Laternen, und in offenen Kohlepfannen brannten Feuer mit seltsamen blauen und grünen Flammen. Unsere Schritte weckten die Vögel in den über uns hängenden Käfigen; zahllose Flügel schlugen, und ein Pfau schickte seinen Schrei durch die Nacht. Von Diskretion konnte kaum die Rede sein, aber es war der kürzeste Weg, und vor allem darauf kam es an.
    Ich war erleichtert, als wir das Marktviertel erreichten. Auch hier folgten wir dem Verlauf der breiten Straßen, aber sie waren wenigstens still und nicht beleuchtet. Wir hatten den gepflegten Teil fast hinter uns gebracht und der Marktplatz war in Sicht, als ich bemerkte, dass Salzleck erneut stehen geblieben war. Ich drehte mich um und sah ihn ein Dutzend Schritte hinter mir.
    »Was soll das, Salzleck? Es geht hier entlang.«
    »Nicht stehlen.« Er wirkte noch zorniger als vorher, aber es war der Zorn eines getretenen Hunds, der den Stiefel seines Herrn kennt. »Zurückkehren.«
    »Kommt nicht infrage. Mir liegt etwas an meiner Haut, zumal ein angenehmes Leben auf mich wartet, und ich brauche deine Hilfe.« Zwar hätte ich es jetzt sehr wahrscheinlich allein schaffen können, aber es war viel leichter, wenn Salzleck mitkam, denn dann brauchte ich all die Klunker nicht selbst zu schleppen. Ich hob den Anführer-Stein so weit wie möglich nach oben. »Muss ich dich daran erinnern? Ich bin dein Boss. Und das bedeutet, du hilfst mir.«
    »Nicht mehr.« Doch er klang hoffnungslos unsicher und kam sogar einen Schritt näher.
    Vielleicht wurde es Zeit, die Taktik zu wechseln. »Hör mal … du brauchst mich nur bis zu Kapitän Anterios Kahn zu begleiten. Dann kommt der Teil, der dir gefallen wird. Sobald ich an Bord bin, erhältst du den Stein. Dann kannst du nach Hause gehen und der große Herr und Meister aller Riesen werden oder von mir aus deine Freunde retten, die von Moaradrid beschwindelt werden. Wie gefällt dir das?«
    Salzleck wirkte bestürzt. »Nicht gut genug!«
    »Es ist das beste und einzige Angebot, das du von mir bekommst.« Plötzlich wurde mir klar, was er meinte. »Du hältst dich für nicht gut genug? Mach dich nicht lächerlich! Du bist stark, tapfer und einfallsreich. Nach den Maßstäben von euch Riesen bist du vielleicht sogar intelligent. Wie kommst du darauf, dass du kein guter Anführer sein kannst?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nicht gut genug.«
    »Na schön. Dann suchst du dir jemanden, der gut genug ist, und gibst ihm den Stein. Wie wär’s damit? Oder, wenn dir das lieber ist, ich werfe den verdammten Stein in den Fluss, damit ihn niemand bekommt.«
    Das gab den Ausschlag. Vielleicht konnte Salzleck die Vorstellung ertragen, dass ein Mistkerl wie Moaradrid Oberhaupt der Riesen war, und vielleicht konnte er sogar mich als den großen Macker akzeptieren. Aber keinen Anführer zu haben, und auch keine Hoffnung, jemals einen zu bekommen … das war zu viel für ihn. Er wankte auf mich zu. Der Zorn verschwand aus seinem Gesicht und machte einem Ausdruck der Gebrochenheit Platz.
    Ich tröstete mich mit dem Gedanken, dass ich es ernst gemeint hatte. Salzleck würde den für die Riesen so kostbaren Stein von mir

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