Im Schatten der Giganten: Roman
zurückerhalten, und vielleicht konnte er damit sogar seine Freunde retten. »Mach dir keine Sorgen. Wenn du morgen an diesen Moment zurückdenkst, wirst du davon überzeugt sein, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.«
Die Worte klangen selbst für mich hohl. Ich fügte ihnen keine weiteren hinzu und setzte mich wieder in Bewegung. Diesmal folgte mir Salzleck sofort, ohne zu zögern. Mit langen Schritten ging ich über den leeren Marktplatz, und es dauerte nicht lange, bis wir den Hafen erreichten.
Dort blieb ich stehen, legte die Hände auf ein eisernes Geländer und vergewisserte mich, dass an den Anlegestellen alles so war, wie es sein sollte. Es erschien mir seltsam, sie so ruhig, dunkel und leer zu sehen. Nichts regte sich dort. Nirgends torkelten betrunkene Seeleute herum, die zu ihren Schiffen zurückwollten, und abgesehen von einigen großen Kisten auf dem nächsten Kai war nirgends Fracht zu sehen. Bei den meisten Schiffen, Booten und Kähnen leuchtete nur eine kleine Laterne am Heck. Nach der regen Betriebsamkeit, die ich zuvor an diesem Ort beobachtet hatte, erschien mir die Szene unwirklich. Ich hatte das seltsame Gefühl, einen Schiffsfriedhof vor mir zu sehen.
Anterios heruntergekommener Kahn lag dort am Kai, wo wir ihn zurückgelassen hatten. Eine Gestalt an Bord blickte in unsere Richtung, und als ich winkte, hob sie ebenfalls den Arm.
Das war es also. In einigen wenigen Minuten würde ich Altapasaeda verlassen. Bis zum nächsten Morgen hatte mich Anterio in irgendeinem Dorf abgesetzt, wo ich mir ein Pferd kaufen und für immer verschwinden konnte. Ich lief los und hörte die wuchtigen Schritte des Riesen hinter mir. Noch vor einem Tag hätte ich es nicht für möglich gehalten, mich so sehr über den Anblick eines schmutzigen, stinkenden Lastkahns und seines verschrobenen Kapitäns zu freuen.
Ich hatte fast den Laufsteg erreicht, als ich feststellte, dass es nicht Anterio war, der dort an Bord stand.
»Ich schätze, ich sollte dir wenigstens dafür danken, dass wir nicht lange auf dich warten mussten.«
»Hauptmann Alvantes … das ist eine Überraschung.« Ich brachte es gerade so fertig, nicht an den Worten zu ersticken.
»Tatsächlich? Offenbar hältst du nicht viel von uns. Anterio war zu seiner Zeit ein erbärmlicher Wächter, aber er ist nie ein Narr gewesen. Er setzte sich mit mir in Verbindung und berichtete von einem verdächtigen Mann, der behauptete, in geheimer Mission für die Palastwache unterwegs zu sein. Es passte gut zu den Berichten über deine Bewegungen.«
»Und du hast das Bankett verlassen, um mich hier in Empfang zu nehmen? Solche Mühe wäre nicht nötig gewesen.«
Zuvor hatte eine gewisse Verspieltheit in Alvantes’ Stimme gelegen, sogar so etwas wie für ihn völlig untypische hämische Freude. Beides verschwand, als er sagte: »Ich hätte dich schon vor Stunden verhaftet, Damasco. Aber du genießt diplomatische Immunität, und Seine Hoheit wollte sicherstellen, dass du auf frischer Tat ertappt wirst. Genau das ist gerade geschehen, und deshalb gehörst du jetzt mir. Wachen, hierher!«
Die letzten Worte rief er über meine Schulter, und ihr Echo von den Hafenmauern war kaum verklungen, als ich das Klappern von Hufen hinter mir hörte. Ich drehte mich um und sah, dass sich die großen Kisten am Kai geöffnet hatten – aus jeder von ihnen kam ein Reiter. Wenige Momente später hatte ein halbes Dutzend berittener Wächter einen Halbkreis um uns gebildet.
Für den Hauch eines Augenblicks war ich fast stolz darauf, der Grund für so viel Anstrengung und Durchtriebenheit zu sein, doch die sehr kurze Zufriedenheit darüber wich sofort Entsetzen. Meine Zukunftsaussichten bestanden plötzlich darin, den Rest meines Lebens im Gefängnis zu verbringen, wenn ich Glück hatte. Für wahrscheinlicher hielt ich es, dass der Prinz mich Moaradrid auslieferte.
Alvantes winkte einem der Reiter zu, und der Mann ritt zu den Laderampen am Ende des Hafens. Weniger als eine Minute später kehrte er an der Spitze eines kleinen Konvois zurück. Er hatte irgendwo eine Kutsche aufgetrieben, und sechs weitere Reiter begleiteten ihn. Ich hielt sie für Verstärkung, vielleicht dazu bestimmt, Salzleck unter Kontrolle zu halten, bis ich die Gestalt an der Spitze erkannte.
Ich hatte recht, auf einen gemütlichen Gefängnisaufenthalt durfte ich offenbar nicht hoffen. Hinter den Wächtern ritt Moaradrid, jetzt wieder auf die übliche Art gekleidet, und ich bemerkte Panchettos Wappen
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