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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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näherte. Wenn ich meinen unverhofften Vorteil nutzen wollte, so durfte ich keine Zeit verlieren. Ich sah noch einmal bedauernd auf den ohnmächtigen Lugos hinab, drehte mich dann um und musterte den Riesen. Der einzige Weg, der an der Vorderseite nach oben führte, hätte es erfordert, über Leons Leiche zu klettern, und deshalb flitzte ich nach hinten. Dort wies der Harnisch ein Netz auf, das bis zum Saum des Lendenschurzes reichte. Mir kamen ernste Zweifel an meinem Plan. Was, wenn der Riese nicht so passiv war, wie es den Anschein hatte? Was, wenn er etwas dagegen hatte, dass ich an seinem Rücken emporkletterte? Ein Schlag hätte mich in Brei verwandelt.
    Moaradrids Soldaten kamen immer näher. Salzleck bot mir praktisch die einzige Chance, zu fliehen und mich zu rächen. Das schien plötzlich wichtig zu sein, Rache. Denn als ich dort von Toten umgeben stand – mit einigen von ihnen hatte ich noch vor wenigen Stunden Karten gespielt –, fühlte ich untypischen Zorn in mir aufsteigen. Was erlaubte sich Moaradrid, dass er mich auf diese Weise in seine verdammten Pläne verwickelte? Plötzlich bebte ich fast vor Wut.
    Ich sprang nach oben, bekam den untersten Strick des Netzes zu fassen und suchte mit dem Fuß an Salzlecks Oberschenkel nach Halt. Es schien ihn nicht weiter zu stören. Ich nahm meine ganze Kraft zusammen, streckte einen Arm so weit wie möglich nach oben, ließ ihm dann den anderen folgen und zog mich hoch. Kurz darauf fand mein Fuß Halt, und von da an war es recht einfach. Nicht ein Mal versuchte der Riese, mir zu helfen oder mich abzuschütteln.
    Ich kletterte auf die Plattform. Das Netz setzte sich dort fort, und am Rand ragte ein Pfosten auf. Vermutlich war beides dazu bestimmt, dem Reiter Halt zu gewähren. Ich hielt mich fest, als mir plötzlich klar wurde, wie weit über dem Boden ich mich befand. Einige Sekunden lang klammerte ich mich wie verzweifelt an dem Pfahl fest.
    Dann rief jemand in der Nähe, und aus irgendeinem Grund wusste ich, dass es dabei um mich ging. Als ich den Kopf zu heben wagte, stellte ich fest, dass eine große Streitmacht noch immer die Castovalaner verfolgte – was ich für ziemlich aussichtslos hielt, denn inzwischen waren die Fliehenden außer Sicht –, und eine kleinere Reitergruppe näherte sich meiner Position. Ihr Anführer zeigte in meine Richtung und rief etwas. Von meiner Brigade war nicht viel übrig. Die wenigen, die sich noch auf den Beinen hielten, waren über einen großen Bereich verstreut und wankten ziellos umher. Die Neuankömmlinge sollten vermutlich die Ordnung wiederherstellen, bevor jemand auf dumme Gedanken kam.
    Dafür war es ein wenig spät.
    »Kannst du mich hören, Salzleck?«
    Keine Antwort.
    »Salzleck, hörst du mich?«
    »Höre.«
    So eine Stimme hatte ich nie zuvor vernommen. Sie war erstaunlich tief, und die einzelnen Silben mahlten wie Mühlsteine aneinander.
    »Gut. Salzleck, was hältst du davon, diesen Ort zu verlassen? Wie wäre es heimzukehren, nicht mehr kämpfen und keine Befehle mehr befolgen zu müssen?«
    Er nahm sich Zeit mit der Antwort, und ich begann zu glauben, dass er wieder nicht verstanden hatte. Vielleicht gefiel es ihm hier. Vielleicht dachte er daran, mich auszuliefern oder mir wegen Desertion den Schädel zu zertrümmern.
    »Nicht mehr kämpfen?«
    »Schluss damit, wenn es nach mir geht. Gefiele dir das?«
    »Nicht mehr kämpfen«, bestätigte er.
    Ich lächelte und gab ihm einen Schlag auf die Schulter.
    »Dann wird es Zeit, dass wir von hier verschwinden, Salzleck.«

3
    I n weniger als einem Tag hatte ich mir zwei Heere zum Feind gemacht.
    Die Überlebenden der castovalanischen Streitmacht würden sicher nicht viel davon halten, dass ich zu ihren Feinden gehört hatte, auch wenn ich nicht direkt in den Kampf verwickelt worden war. Zum Glück konnte ich davon ausgehen, dass mich niemand erkannt hatte. Moaradrids Streitmacht stellte ein größeres Problem dar. Beim Appell nach der Schlacht würde man schnell feststellen, dass ein Riese fehlte. Ich hatte einen gewissen Vorsprung, doch das würde mir nicht viel helfen, denn schnelle Reiter konnten uns in kurzer Zeit einholen. Alles zusammengenommen, steckte ich ganz schön in der Klemme.
    Und ich schickte mich an, alles noch viel schlimmer zu machen.
    Ich war ein Risiko eingegangen und hatte Salzleck aufgefordert, zum Lagerplatz der vergangenen Nacht zurückzukehren. Besser gesagt: dorthin, wo noch einige Zelte standen. Wenn Verfolger hinter uns her

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