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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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Zunächst verschwand er nur für einen Moment hinter einer Biegung, aber diese Momente wurden länger und länger, als unser Weg weiter landeinwärts führte und das Wasser immer wieder durch Schluchten strömte.
    Ich war froh, als wir den Buckel erreichten. Ein Mann, der auf einem Riesen ritt … Das musste den Einheimischen auffallen, auch wenn sie sich gleichgültig gaben. Hinzu kam, dass es zwischen den Reisfeldern keine Möglichkeit gab, sich irgendwo zu verstecken. Die unteren Hänge des Buckels waren nicht viel besser, aber weiter oben mangelte es nicht an Mulden und Spalten, die uns Sichtschutz gewährten. Je älter der Tag wurde, desto dringender wurde es, dass wir uns irgendwo verbargen.
    Das Heereslager war den ganzen Morgen außer Sicht gewesen, was wir einem niedrigen Hügel an seinem südlichen Rand verdankten. Wir sahen es wieder, als wir den Rand des Buckels zu erklimmen begannen: ein Durcheinander aus dunklen und gelegentlichen bunten Flecken, wie ein fernes Ameisennest. Bei ungefähr einem Drittel des Weges zwischen uns und dem Lager bemerkte ich eine Kolonne auf der hellen Straße: Reiter, etwa hundert nach meiner Schätzung. Es erschien mir unglaublich, dass sie es auf uns abgesehen hatten. Weitaus vernünftiger wäre es gewesen, einen Offizier mit vielleicht einem Dutzend schnellen Reitern loszuschicken. Auf dem Schlachtfeld mochten Salzleck und seine Brüder Furcht erwecken, aber hier im Freien waren wir Bogenschützen hilflos ausgeliefert. Ein gut gezielter Pfeil – zum Beispiel in meinen Kopf – würde den Kampf sofort beenden. Der Einsatz von so vielen Männern ergab keinen Sinn. Sie kamen langsamer voran, und wenn sie zusammenblieben, konnte man ihnen leichter ausweichen.
    Vielleicht war jene Kolonne aus einem anderen Grund nach Süden unterwegs. Doch auch das ergab keinen Sinn. Ein Gesandter hätte sich nicht mit annähernd so vielen Männern auf den Weg gemacht, und für den Angriff auf eine Stadt waren es selbst dann nicht genug, wenn die Verteidiger bei der Schlacht am Morgen einen hohen Blutzoll bezahlt hatten.
    Wie dem auch sei, jene Soldaten ritten aus irgendeinem Grund in unsere Richtung, und zwar ziemlich schnell. Je eher wir in die oberen Bereiche des Buckels gelangten und dort Deckung fanden, desto besser.
    Es gab noch ein anderes Problem, das unmittelbare Aufmerksamkeit verlangte: mein Hintern und seine zahlreichen blauen Flecken. Inzwischen saß ich rücklings, das eine Bein über Salzlecks Rücken, das andere an seinem Nacken ausgestreckt, den rechten Arm um den Pfosten geschlungen und den linken im Netz. Den Oberkörper hatte ich gedreht, damit ich nach vorn sehen konnte. Diese Position bot gewisse Vorzüge, vor allem den, dass ich bisher nicht hinuntergefallen war, aber von Bequemlichkeit konnte kaum die Rede sein. Von Kopf bis Fuß tat mir alles weh, vor allem die Finger und Zehen, weil ich mich hauptsächlich damit festhielt. Doch meinem Allerwertesten ging es besonders schlecht. Meile um Meile hatte ich mich davon zu überzeugen versucht, dass es nicht schlimmer werden konnte, und Meile um Meile hatte ich mich geirrt. Inzwischen fühlte sich mein Hinterteil an, als wäre es durch den Fleischwolf gedreht worden.
    Schließlich stieß ich durch zusammengebissene Zähne hervor: »Halt, Salzleck! Halt an, solange noch die Chance besteht, dass ich eines Tages wieder gehen kann.«
    Wir hatten vielleicht ein Drittel des Weges den Buckel hinauf zurückgelegt, und die Straße führte nicht sehr steil nach oben. Die Felder des Tieflands waren kleinen Felsvorsprüngen, niedrigem Gebüsch und gelegentlichen, wie verkrüppelt wirkenden Bäumen gewichen, die hier und dort aus dem roten Boden wuchsen. Die Sonne hatte ihren höchsten Stand erreicht und brannte erbarmungslos heiß von einem inzwischen fast wolkenlosen Himmel. Ich war schweißgebadet, und Salzleck stank wie ein Pferd, nur noch schlimmer.
    Ich verfluchte mich dafür, während unserer Flucht keine Vorräte erworben zu haben, einige Wasserschläuche zum Beispiel und auch etwas zu essen. Es wäre nicht schwer gewesen. Salzleck hätte vermutlich einen Karren ziehen können, ohne langsamer zu werden.
    Ich ließ mich vorsichtig auf einem Felsen am Straßenrand nieder und wimmerte leise, als meine Kehrseite ihn berührte. Erneut ging mein Blick zur Kolonne; sie hatte nun etwa die Mitte des Weges zwischen Heereslager und Buckel erreicht. Die Entfernung schien nach wie vor groß, doch es ließ sich nicht leugnen, dass sie im

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