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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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zurückdrehen, doch dabei rutschte meine rechte Hand ab. Verzweifelt suchte ich mit ihr nach neuem Halt, aber unglücklicherweise geriet auch mein linker Fuß ins Rutschen.
    Ein letztes Zappeln, und ich stürzte in die Tiefe.

6
    D er Aufprall war hart.
    Ein Teil meines Gehirns berichtete mit grimmiger Zufriedenheit, dass ich tot war. Aus und vorbei, alle Knochen im Leib gebrochen, außerdem vermutlich das eine oder andere innere Organ geplatzt. Ein im Großen und Ganzen erträgliches Leben lag hinter mir, aber jetzt war es vorbei. Man kann nicht immer gewinnen.
    Ein anderer Teil wies darauf hin, dass dieser Körper noch immer schmerzte. Er tat sogar höllisch weh. Eigentlich war ich gar nicht so tief gefallen und auch nicht auf dem Kopf gelandet. Mit anderen Worten: Es gab keinen Grund, warum ich tot sein sollte.
    Muss es unbedingt einen Grund geben?, fragte der erste Teil.
    Ja, antwortete der zweite.
    Wirklich?
    Absolut.
    Dann leben wir vielleicht noch.
    Ich öffnete die Augen und stöhnte. Möglicherweise wäre der Tod besser gewesen. Mir taten Stellen weh, von denen ich gar nicht gewusst hatte, dass sie zu meinem Körper gehörten.
    Die Wahrheit lautete: Ich lag auf dem Wehrgang, alle viere von mir gestreckt, ein Fuß und eine Hand ragten über den Rand. Rasch zog ich beide zurück, setzte mich auf und lehnte den Rücken an die Felswand. Als ich sah, dass sich die Soldaten auf der Nordmauer nicht zu mir umgedreht hatten, erlaubte ich mir ein erleichtertes Seufzen. Ich schien mir auch keine neuen Verletzungen zugezogen zu haben. Eine schnelle Überprüfung ergab, dass sich alles in einem einigermaßen funktionsfähigen Zustand befand.
    Ich kam auf die Beine und versuchte mich zu orientieren. Muena Palaiya erstreckte sich auf einem Hang, was man kaum bemerkte, wenn man in der Stadt war, doch von der höchsten Stelle aus konnte man es deutlich sehen. Die meisten Häuser bestanden wie die Mauern aus Stein, und viele von ihnen hatten sogar steinerne Dächer. Sie standen auf zahlreichen unregelmäßig geformten weißen Stufen, die den Konturen des Hanges folgten. Überall gab es schmale Gassen, die sich an zahlreichen Stellen kreuzten, unter Bögen hindurchführten – wo die Gebäude zwei Stockwerke weit aufragten –, selbst durch kleine Tunnel. Nur ein Weg war breit genug, Straße genannt zu werden, der sogenannte Tänzerweg, der diagonal vom nördlichen Tor bis zur Pforte in der südlichen Ecke verlief. Unter mir erwachte gerade das Handwerkerviertel, ein Labyrinth sogar nach den Maßstäben der Stadt, ein Durcheinander aus engen Passagen, seltsamen Gerüchen und zahllosen unterschiedlichen Gewerben.
    Zwar war es nicht mein Ziel, aber es bot mehr Verstecke als die Mauer. Es war noch immer recht düster, denn die Sonne bemühte sich nach wie vor, hinter den Bergen aufzusteigen. Aber es würde nicht mehr lange dunkel bleiben, und ich konnte mich auch nicht darauf verlassen, dass die Wächter beim Tor auf Dauer in die andere Richtung starrten. Ich eilte zu einer Stelle, wo der Abstand zwischen Wehrwall und nächstem Dach gering genug für einen Sprung war. Bei der Landung empfingen mich Netze und Käfige, offenbar für Krebse und Hummer bestimmt. Ich rollte mich seitlich ab, verbarg mich halb in all dem Kram, blieb still liegen und genoss das Gefühl, einigermaßen sicher zu sein.
    An Muena Palaiya hatte mir vieles gefallen. Der Wein war gut, man konnte leicht Beute finden, und die Frauen zählten zu den schönsten weit und breit. Doch vor allem von den Dächern war ich immer begeistert gewesen. Nirgends sonst waren sie mit so vielen Dingen beladen wie in Muena Palaiya. Leider hatten die Bürger der Stadt in jüngster Vergangenheit beschlossen, einen neuen Bürgermeister zu wählen, beziehungsweise eine Bürgermeisterin, und obwohl die Wahl vielleicht nur ein Scherz gewesen war – die Gewählte nahm sie sehr ernst. Wie es der großen Mehrheit der Bewohner von Muena Palaiya unter Estradas Herrschaft erging, wusste ich nicht, aber ich hatte schnell feststellen müssen, dass sie besonderen Wert auf Recht und Ordnung legte, was für mich dem Leben in Muena Palaiya viel von seinem Spaß nahm. Vor drei Jahren hatte ich die Stadt verlassen und war seitdem nicht zurückgekehrt.
    Ich fand es tröstlich, die Dächer – die Schnellstraße für Diebe – in ihrem gewohnten Zustand vorzufinden. Vielleicht war es sogar zu tröstlich. Als ich da inmitten der Netze und Seile lag, abgeschirmt von nach Meer riechenden

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