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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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hätte mir jemand ein heißes Messer auf die Haut gedrückt. Ich schrie, und der Hengst reagierte, indem er noch schneller wurde. Ich wagte es nicht, mir die Wunde anzusehen, duckte mich so weit wie möglich nach unten, vergrub das Gesicht in der Mähne und konnte dadurch nur noch ein kleines Stück von der Straße voraus sehen. Welchen Vorsprung ich jetzt noch hatte, wusste ich nicht. In meinem Entsetzen malte ich mir aus, dass die Verfolger direkt hinter mir waren und mich gleich mit Pfeilen spicken würden, sodass mich unwissende Passanten vielleicht für einen hässlichen blattlosen Strauch halten würden.
    Die Sekunden verstrichen, und erstaunlicherweise blieb ich am Leben. Es schienen sogar weniger Pfeile zu fliegen. Weitere Momente vergingen, und der Pfeilhagel ließ immer mehr nach. Schließlich hörte das Zischen und Klappern ganz auf und wich fernen Rufen und Flüchen.
    Ich fand genug Mut, den Kopf zu drehen und über meine verletzte Schulter zu sehen.
    Ich hatte vergessen, wie sehr in den vergangenen Stunden die Geschwindigkeit meiner Verfolger nachgelassen hatte. Jetzt fiel es mir wieder ein, als ich beobachtete, wie die Reiter hinter mir versuchten, ihre erschöpften Pferde zu etwas mehr als einem langsamen Trab anzutreiben. Sie konnten nicht hoffen, uns einzuholen. Selbst dem besten aller Bogenschützen wäre es schwergefallen, uns über die schnell wachsende Entfernung hinweg zu treffen. Keiner der Soldaten schien bereit zu sein, sich mit einem entsprechenden Versuch selbst zu demütigen.
    »Nur Narren legen sich mit Easie Damasco an!«, rief ich so laut ich konnte.
    Es bescherte mir mehr Schmerz in der verletzten Schulter und dem Hengst eine neue Panikattacke. Er legte einen weiteren Sprint ein, und um ein Haar hätte ich den Halt auf seinem Rücken verloren. Mir wurde klar, dass ich mich besser aufs Reiten konzentrieren sollte, wenn ich in einem Stück bleiben wollte.
    Bevor ich wieder nach vorn sah, fiel mir ein letztes Detail auf. Einige Reiter lösten sich aus der Hauptgruppe und ritten zur Scheune.
    Die Wunde schien nicht besonders schlimm zu sein. Deshalb tat sie allerdings nicht weniger weh, und es linderte auch nicht den Ärger darüber, sie davongetragen zu haben.
    Eigentlich war es nur ein Kratzer: Der Pfeil hatte die Schulter gestreift und seinen Flug dann fortgesetzt. Blut quoll aus dem Riss, und nicht zu knapp, aber es sah schlimmer aus, als es war. Ich konnte den Arm noch immer bewegen, obwohl er bereits steif zu werden begann.
    Ich ging in Hinsicht auf den gewonnenen Vorsprung ein kalkuliertes Risiko ein, hielt mein Pferd am Straßenrand an, stieg ab und versuchte, die verletzte Schulter dabei nicht zu belasten. Trotzdem kam neuer Schmerz, als meine Füße den Boden berührten, sowohl von der Schulter als auch von den vielen blauen Flecken. Ich schrie auf, und von den Bäumen neben der Straße stieg mit lautem Krächzen ein Schwarm Krähen auf. Der Hengst zuckte zusammen, stob glücklicherweise aber nicht davon. Er schien seinen Vorrat an Angst verbraucht zu haben und gleichgültig zu werden.
    Ich schnitt einen Streifen von meinem Mantel ab und versuchte, daraus einen Verband zu machen, doch mit einer Hand war das schwerer als gedacht, und das Ergebnis bestand aus einem eher jämmerlich wirkenden Stofffetzen an der Schulter. Inzwischen hörte ich wieder das Stampfen von Hufen, beunruhigend nahe. Ich schwang mich auf den Rücken des Hengstes und trieb ihn zu einem leichten Galopp an. Er tat mir leid, und deshalb gab ich mir Mühe, freundlicher zu ihm zu sein; ich flüsterte ihm sogar einige aufmunternde Worte ins Ohr. Vielleicht war meine Sorge unbegründet, aber ich vermied es, mich zu fragen, wie es Salzleck erging.
    Es dauerte nicht lange, bis wir die Verfolger wieder weit hinter uns gelassen hatten. Zu meiner großen Erleichterung stellte ich fest, dass wir uns inzwischen in der Nähe von Muena Palaiya befanden. Es war eine ganze Weile her, seit ich diese Gegend zum letzten Mal besucht hatte, aber ich erinnerte mich gut daran. Während der letzten Meilen hatte die Straße nach Südosten geführt, aber jetzt musste sie einem Kliff aus grauweißem Fels und rotem Lehm ausweichen, dem westlichen Rand der Berge. Sie verlief nun im Schatten der Felswand, während sich das Gelände rechts von uns leicht absenkte. Einige knotige Bäume standen im Weg – andernfalls wäre die Sicht spektakulär gewesen.
    Allerdings lag mir auch gar nichts daran, die Aussicht zu genießen. Muena Palaiya

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