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Im Schatten der Giganten: Roman

Im Schatten der Giganten: Roman

Titel: Im Schatten der Giganten: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Tallerman , Andreas Brandhorst
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Käfigen … Ich hatte es so gemütlich wie ein feiner Herr unter der Seidendecke seines weichen Bettes. Irgendwo hinter meiner Erschöpfung wusste ich: Wenn ich jetzt einschlief, würde ich mit großer Wahrscheinlichkeit in einer Zelle erwachen. Doch aus irgendeinem Grund schien diese Sorge derzeit nicht sehr groß zu sein.
    Die Luft des frühen Morgens war kühl, was mich veranlasste, tiefer in mein Nest aus Seilen und Netzen zu schlüpfen und den Mantel etwas enger um mich zu ziehen. Schließlich waren es die Geräusche, die meiner Gemütlichkeit ein Ende setzten. Sie stammten von den Handwerkern, die mit ihrem Tagwerk begannen – das erste Klopfen von Hämmern, das erste Quietschen von Sägen –, und bald gesellten sich Stimmen hinzu, die offenbar näher kamen, und zwar aus der Richtung des Nordtors. Ich fluchte leise und setzte mich auf.
    Der heftige Schmerz hatte sich auf das Gefühl reduziert, dass der ganze Körper wund war. Die Schulter blutete nicht mehr, obwohl es dunkle Flecken dort gab, wo ich gelegen hatte, und auch am Mantel. Der Kopf war klarer; Schwindel und Übelkeit hatten mich verlassen. Die Sorge blieb. Hatte ich geschlafen? Wenn ja, dann nicht mehr als einige Minuten, denn das Licht schien sich kaum verändert zu haben.
    Vorsichtig schlich ich durch das Chaos aus Fischerwerkzeugen, nahm den Meeresgeruch deutlicher wahr und fragte mich, wieso all der Kram hier lag, so weit von der Küste entfernt. Nur eine schmale Lücke trennte das Dach von dem des nächsten Gebäudes. Ich sprang hinüber und landete zwischen grob zusammengeschnürten Fellen und gegerbtem Leder.
    Die Stimmen waren jetzt lauter, und ich gelangte zu dem Schluss, dass mich etwas an ihrem Akzent beunruhigte. Ich wusste nicht genau, was es war, und einzelne Worte konnte ich nicht verstehen.
    Ich setzte den Weg fort und sprang immer wieder über kleine Lücken hinweg. Einmal war ein weiterer Sprung nötig, und meine überanstrengten Muskeln hielten nicht viel von der anschließenden harten Landung. Sie protestierten heftig, und fast hätte ich aufgeschrien. Schnell rappelte ich mich wieder hoch und huschte an Fässern vorbei, die nach billigem Wein rochen, an Tuchballen, geräuchertem Fisch, Körben mit Oliven, Kalkplatten und frisch gebrochenen Schiefertafeln.
    Die Stimmen wurden lauter.
    Eine seltsame Ausgelassenheit ergriff mich. Ich erinnerte mich an die Freude, die ich dabei empfunden hatte, auf diesen Dächern unterwegs zu sein. Manchmal hatte ich diesen Weg genommen, um bestimmte Zielpersonen zu erreichen. Bei anderen Gelegenheiten war ich nach einem Diebstahl über die Dächer geflohen. Doch in den meisten Fällen hatte ich mich einfach für sie entschieden, weil man auf ihnen am besten vorwärtskam. Schmerz und Erschöpfung schienen plötzlich an Bedeutung zu verlieren. Alte Instinkte lenkten meine Füße, und in mir erwachte eine Gewandtheit, die ich fast vergessen geglaubt hatte.
    Aber schließlich hinkte ich und musste außer Atem innehalten. Ich befand mich auf einem breiten Dach mit Kiessäcken, breiten Streifen aus unbearbeitetem Metall und einigen nach Öl riechenden Amphoren. Erinnerungen sowie Veränderungen bei den von unten kommenden Geräuschen teilten mir mit, dass ich den Tänzerweg erreicht hatte. Ich sank auf die Knie, kroch zur niedrigen Mauer am Dachrand, fand dort eine Lücke zwischen zwei großen Töpfen und blickte auf die Straße hinab. Für Muena Palaiya mochte der Tänzerweg breit sein, doch meistens war er auch voller Menschen und Tiere; bunte Verkaufsstände reihten sich zu beiden Seiten. Hinzu kamen die nie fehlenden Vertreter der Unterschicht, bestehend aus Bettlern, Straßenkünstlern und Taugenichtsen. Selbst zu dieser früheren Stunde ging es im Tänzerweg alles andere als ruhig zu.
    Was natürlich viel mit der Gruppe zu tun hatte, die langsam auf Pferden die Straße heraufkam und gelegentlich anhielt, um mit einem Händler oder einem Passanten zu sprechen. Drei Wächter folgten zu Fuß, die Hände an den Schwertgriffen. Sie schienen die Reiter zu beaufsichtigen, die Leute befragten oder Beschreibungen riefen. Was die einzelnen Punkte der Beschreibungen betraf, so variierte die Reihenfolge, aber es lief immer auf dies hinaus: »Groß, dünn, dunkelhaarig, unrasiert, grüner Mantel, graue Hose und schwarze Lederstiefel. Bekannt unter dem Namen Easie Damasco.« Und oft endeten die Rufe mit: »Zwanzig Onyx-Münzen für den, der uns zu ihm bringen kann, ob Mann, Frau oder Kind.«
    Es war

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