Im Schatten der Giganten: Roman
berüchtigter Dieb, größtenteils sauber geblieben. Er hatte sich darauf konzentriert, sein Lokal zu führen, ab und zu ein bisschen zu hehlen und gelegentlich gewissen Leuten mit gewissen Tipps zu helfen. Dass »Agenten« für ihn arbeiteten, war mir neu – es deutete darauf hin, dass sein Einfluss weiter reichte, als ich bisher angenommen hatte. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft in der Stadt fragte ich mich, worauf ich mich eingelassen hatte. Mounteban und ich waren immer gut miteinander zurechtgekommen, aber von einer richtig dicken Freundschaft konnte eigentlich nicht die Rede sein. Er schuldete mir nichts. Fast automatisch sagte ich: »Ich habe Geld.«
»Das ist gut«, sagte er und schob Teller und Becher auf mich zu. »Niemand ist gern arm. Über solche Dinge können wir uns später Sorgen machen.«
Ich nickte. Vielleicht hatte ich darauf gewartet, genau das zu hören, obwohl die Wahrheit lautete: Mit meinen wenigen Onyx-Münzen würde ich nicht weit kommen. Ich nahm einen Bissen von dem Brot, griff dann nach dem Becher Wein und leerte ihn in einem Zug.
»Du hattest einen Riesen bei dir«, sagte Mounteban.
»Er war keine besonders gute Gesellschaft und roch wie ein ungewaschenes Pferd. Wir haben uns getrennt.«
»Weißt du, was mit ihm passiert ist?«
Die Frage erschien mir seltsam. Aber ich saß in Mountebans Kneipe, aß von seinem Teller und bat um seinen Schutz. Deshalb hielt ich es für besser, auf ihn einzugehen. »Ich habe ihn in einem Heuhaufen zurückgelassen, auf einem Bauernhof außerhalb der Stadt. Es schien das Beste für uns beide zu sein.«
»Wirklich?«
»Zumindest für mich. Worauf willst du hinaus, Mounteban?«
»Auf nichts, über das wir hier und jetzt reden können. Begnügen wir uns mit dem Hinweis, dass du nur ein kleiner Teil eines größeren Bildes bist.«
»Nicht für mich.«
Mounteban lachte ohne großen Humor. »Du bist derselbe alte …« Er unterbrach sich. »Wir müssen dich von hier fortschaffen. Bevor sich jemand an unsere Bekanntschaft erinnert und diese Information an Moaradrid weitergibt.«
Er stand auf und stapfte erneut nach vorn. Ich folgte ihm. Als wir den Nebeneingang erreichten, durch den der »Agent« gekommen war, blieb Mounteban stehen, entriegelte die Tür, öffnete sie und forderte mich mit einem Wink auf, den Raum dahinter zu betreten. Ich wurde plötzlich nervös, zögerte aber nur kurz, bevor ich durch die Tür trat.
Der Raum diente offenbar als Lager. Kisten und Fässer standen aufeinandergestapelt an zwei Wänden, und an der dritten zeigte sich ein Regal. Eine Laterne hing an der Decke, aber von ihr kam mehr Rauch als Licht. Nur mit Mühe konnte ich die in einen Kapuzenmantel gehüllte Gestalt in der dunkelsten Ecke erkennen.
Hinter mir fiel die Tür zu.
Ich fragte mich noch, ob ich die Gestalt begrüßen oder besser so tun sollte, als hätte ich sie nicht gesehen, als ich einen heftigen Stoß von hinten bekam und auf Hände und Knie sank.
»He!«
Ich versuchte mich seitlich abzurollen und mit den Armen zu schützen. Finger gruben sich mir ins Haar und zogen meinen Kopf zurück.
»Was soll das …«
Weiter kam ich nicht. Der zweite Schlag schickte mich in kalte Finsternis.
7
W umm .
Ich öffnete die Augen und blickte durch einen scharlachroten Schleier aus Schmerz.
Wumm !
Finsternis, durchsetzt von gelbem Flackern. Ich versuchte, den Kopf zu drehen, und bereute es sofort.
Wumm.
Ich lag auf einer Art Bahre. Meine Füße waren ans höhere Ende gebunden, das von einer klotzigen Silhouette getragen wurde. Vielleicht hatten sie mich nicht richtig festgebunden, und mein Kopf war mehrmals gegen etwas gestoßen. Oder ich war, während Unbekannte mich auf der Bahre beförderten, nach unten gerutscht. Was auch immer der Fall sein mochte, ich sah keinen Grund, in aller Stille zu leiden. Ich stöhnte so laut ich konnte, und das Geräusch kehrte als Serie dumpfer Echos zu mir zurück. Abrupt hielten wir an, und mein Kopf prallte erneut auf den Boden.
»Er ist wach.« Die Stimme war ebenfalls gedämpft, aber auch seltsam hoch. Ich vermutete, dass sie dem Fremden mit dem Kapuzenmantel gehörte.
»Scheint so.« Das war Mounteban, und er klang nicht sonderlich erfreut.
»Kannst du ihn noch einmal bewusstlos schlagen?«
»Das könnte ich.«
»Aber du willst es nicht?«
»Ich mache es, wenn du es für nötig hältst. Es ist riskant. Wenn man einem Mann zu oft auf den Kopf haut, geraten die Dinge darin durcheinander.«
»Wird er
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